Newsletter April 2017
Verfassungsreferendum in der Türkei
Die Wahlberechtigten Türken haben mit knapper Mehrheit für die Verfassungsänderung gestimmt, die dem Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan mehr Macht verleiht und Regierungsbeschränkungen durch Judikative und Legislative weitläufig aushebelt. Der Machtumbau am Bosporus setzt sich fort und der EU-Beitritt der Türkei ist dadurch noch unwahrscheinlicher geworden als zuvor. Die offensichtliche Absicht die Gewaltenteilung zu egalisieren, die Pressefreiheit weiter einzugrenzen und die Einsetzung der Justiz durch den Präsidenten selbst, lassen daran zweifeln, ob die Türkei unter Erdoğan jemals dazu in der Lage sein wird, die Kriterien zu erfüllen, die die EU an beitrittswillige Bewerber stellt. Auch ein reformbereiter Nachfolger des aktuellen Präsidenten müsste erst einmal das in Zukunft mutmaßlich verkrustete System aufbrechen, um mehr Durchlässigkeit, Transparenz und Demokratie zu ermöglichen. Die Landespolitik äußert sich kritisch gegenüber dem Abstimmungsverhalten unserer türkischen Mitbürger im Land, die zu zwei Dritteln für die Verfassungsänderung gestimmt haben. Ich schließe mich da an.
In unserem Nachbarland Frankreich geht es ebenso um nicht viel weniger als um den Erhalt der freien Gesellschaft und den der Demokratie.
Wahlen in Frankreich
Der wirtschaftsliberale Macron und die Rechtspopulistin Le Pen sind die Kandidaten in der Präsidentschaftswahl, die die meisten Stimmen erhalten haben. Da kein Präsidentschaftskandidat im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen für sich verbuchen konnte, sind nun die zwei Kandidaten mit den meisten Stimmen in der Stichwahl. Le Pen hat meines Erachtens bereits ihr volles Stimmenmaterial ausgenutzt. Diejenigen, die den anderen Kandidaten ihre Stimme gaben, werden nun Macron unterstützen, um den extremen Rechtsruck des Landes zu verhindern. Es bleibt zu hoffen, dass die Franzosen, ihre Grand Nation so sehr behütet wissen wollen, dass sie sich gegen Le Pen stellen und somit ihre Werte der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit bewahren. Denn diese Werte würden wohl unter einer Präsidentin Le Pen mit Regierungsmitgliedern aus den Reihen des Front National in extremem Maße leiden.
Happy Birthday Baden-Württemberg
Baden-Württemberg feiert Eiserne Hochzeit und meine Fraktion gratuliert dazu. Diese bisher einzige Länderfusion in der Bundesrepublik hat sich nicht nur als gute Idee, sondern als Zukunftsprojekt mit Vorbildcharakter erwiesen. Anhand dieses Beispiels zeigt sich wieder einmal, dass sich erfolgreiche Politik nicht nur am Zeitgeist, sondern an Vernunft und Durchsetzungskraft orientiert.
Als Liberale vergessen wir nicht, dass es mit Reinhold Maier ein Freier Demokrat war, der die Landesgründung am 25. April 1952 bei einer Landtagssitzung gegen zum Teil heftigen Widerstand durchgesetzt hat. Er nutzte die Gunst der Stunde und konnte mit dem Erfolg Baden-Württembergs in den folgenden Jahren und Jahrzehnten die Bedenkenträger überzeugen. Auch eine gute langjährige Ehe darf sich aber nicht auf den Erfolgen ausruhen. Als FDP-Fraktion werden wir auch zukünftig daran erinnern, dass der Erfolg des Landes jeden Tag neu errungen werden muss, um an der Spitze zu bleiben.
Wir haben hierbei allerhand zu tun und müssen mit Argusaugen unsere Oppositionspolitik betreiben, damit unser Land für die Bürger Baden-Württembergs nicht zu einem Albtraum, durch grüne, Ideologie getriebene Utopien wird.
Evaluation der Polizeireform
Die Evaluation der Polizeireform zeigt deutlich, dass das großangelegte grün-rote Projekt der letzten Legislatur gescheitert ist. Dies musste auch Innenminister Strobl, überraschend fordernd auftretend, eingestehen. Auch wenn die grünen Koalitionspartner immer noch gegen eine Umstrukturierung sind. Nicht nur der Ministerpräsident, sondern auch die gesamte Fraktion. Die grüne Landtagskollegin und Abgeordnete für den Enzkreis Stefanie Seemann, behauptete sogar, dass Polizeipräsidium Nordschwarzwald in Pforzheim sei ein Prestigeprojekt und bringe nicht mehr Polizisten auf die Straße, vielmehr sei es aufgeblähter Verwaltungsapparat.
Dem gegenüber steht die Befragung von über 10.000 Polizisten aus ganz Baden-Württemberg und Polizeifachleuten, die sich explizit für ein Präsidium Nordschwarzwald in Pforzheim aussprechen. Doch das lässt die Grünen kalt. Wie Fraktionsvorsitzender Schwarz vor einigen Tagen zu Protokoll gab, müsse man nach den jetzigen Erkenntnissen der Evaluation der Polizeireform in zwei Bezirken, nämlich in Konstanz und Oberschwaben, nachjustieren.
Polizeipräsidium Nordschwarzwald
Die Pläne der Landesregierung, bereits pensionierte Beamte als Unterstützung der Polizei im Land zu nutzen, ist nicht unklug. Dies zeigt sich auch in Ergebnissen in der Wirtschaft, wo ehemalige Fach- und Führungskräfte mit ihrem Wissen den jüngeren Kollegen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Es ist jedoch anzumerken, dass erfahrene Polizisten zwar mit Know-how dienen, jedoch nicht die benötigte Mannstärke auf der Straße erhöhen.
Den wichtigen Erfahrungsschatz altgedienter Polizisten zu bewahren, ist sicherlich eine gute Idee. Damit aber statistisch die Zahl der Beamten aufzubauschen ist Humbug. Viel eher sollte das Innenministerium und die Landesregierung sich um Nachwuchs kümmern, indem mehr Kapazitäten hinsichtlich der Ausbildungsplätze geschaffen werden und der Beruf des Polizisten attraktiver gestaltet wird.
Den Wegfall des Polizeipräsidiums Pforzheims unter dem roten Innenminister Reinhold Gall hat leider ein Parteigenosse nicht verhindern können, über den ich im nächsten Absatz sprechen möchte, den Pforzheimer Oberbürgermeister, der am 07. Mai antritt, sein Amt zu verteidigen.
Pforzheim – Bilanz acht hagerer Jahre
Es ist so weit, Bilanz zu ziehen. Eine Bilanz über die letzten acht Jahre Pforzheimer Stadtpolitik, die im Wesentlichen ein Mann zu verantworten hat: Oberbürgermeister Gert Hager. Er war im Jahre 2009 mit einem prägnanten Slogan in den Wahlkampf gezogen: „Pforzheim kann mehr. Machen!“
Nun, gemacht hat er tatsächlich viel. Hauptsächlich Schulden. Und Versprechen. Da unterschreibe ich das Ausrufezeichen seines Wahlkampfslogans von damals gerne. Steuern hat er erhöht. Auf den höchsten Satz in ganz Baden-Württemberg. Er hat die Kultur-, Sozial- und Sportlandschaft Pforzheims so gestutzt, dass Pforzheim mittlerweile die niedrigste Sportförderung pro Einwohner aller baden-württembergischen Großstädte aufweist. Keine zwei Euro im Jahr pro Bürger wird in Pforzheim für die wertvolle ehrenamtliche Arbeit der hiesigen Vereine von der Stadt zugeschossen. Obwohl insbesondere dem Sport ganz hervorragende integrationspolitische Wirkung innewohnt. Beim mit ca. 50 % landesweit höchsten Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in Pforzheim kann man das durchaus auch als politisches Zeichen werten. Oder als Ignoranz.
Überdies ist einiges gebaut worden in der Stadt. Ein neuer Busbahnhof strahlt in hellem Weiß in die Nacht. Im Winter etwas zugig, bei dringenden Bedürfnissen nicht immer funktionsfähig und mit großen Löchern im Dach, die architektonisch wertvoll sein mögen, Regen und Schnee aber leidlich schlecht von wartenden Fahrgästen abhalten. Knapp 20 Millionen Euro waren dafür fällig. Es wurde auch eine Schule großzügig saniert, die Nordstadtschule. Von einer ersten Kostenschätzung über 15,7 Millionen Euro im Jahre 2011 sind wir mittlerweile bei knapp 35 Millionen angekommen. Die zugehörige Sporthalle steht im Übrigen noch gar nicht. Zusatzkosten: ungewiss.
In Angriff genommen hat er viel, beendet manches und das „Machen!“ kann – wie gesagt – im Grunde mit Schulden, Steuererhöhungen und Versprechen gut zusammengefasst werden.
Es wäre aber reichlich unfair, ihm diese ganzen Dinge zum Vorwurf zu machen, ohne einen Blick auf die nackten Zahlen zu werfen. Schließlich will ich an dieser Stelle Bilanz ziehen und Bilanzen bestehen nunmal üblicherweise aus Zahlen. Als validen Ausgangswert für unsere Bilanz empfiehlt es sich, Zahlen aus dem Jahr 2008 bzw. 2009 zu nehmen. Für die kann er nichts, er wurde schließlich erst im Juni 2009 gewählt. Als Vergleichspunkt bietet es sich an, die jüngsten vorliegenden Zahlen herzunehmen. Die hat er nach acht Jahren Regentschaft vollumfänglich zu verantworten.
Der Steuermann erhöht die Steuern
Die beiden wesentlichsten Steuern, die eine Kommune selbst bestimmen und verwalten kann, sind die Grund- und die Gewerbesteuer.
Der Hebesatz für die Grundsteuer B (die für eigengenutzte Immobilien und als Umlage für Mieter fällig wird) betrug im Jahr 2008 in Pforzheim 400 Punkte. Im Jahr 2017 beträgt er 550 Punkte, eine Steigerung um 37,5 % und landesweiter Höchstsatz. Der Hebesatz für die Gewerbesteuer, die neben den Landes- und Bundessteuern auf Unternehmensgewinne eines jeden Selbständigen fällig wird und damit ganz erheblich die Investitionsfähigkeit sowie die Schaffung weiterer Arbeitsplätze einschränkt, betrug im Jahr 2008 die bereits beachtliche Zahl von 380 Punkten. Für das Jahr 2017 wurde sie auf den landesweiten Höchstsatz von 450 Punkten erhöht (das gleich große Ulm erhebt 330 Punkte). Eine Steigerung um 18,42 %.
Für Kleinbetriebe, Handwerk und Mittelstand hat der amtierende Oberbürgermeister Hager also nicht nur die Grundsteuer um 37,5 % angehoben, sodass die erwirtschaftbaren Gewinne dementsprechend geschmälert wurden, er hat auch das, was noch an Gewinn übrig blieb, um fast 20 % geschröpft. Und zwar vom kleinen Zweimann-Friseurbetrieb bis zum hidden champion mit 500 Mitarbeitern, dessen Maschinen aber auch gerne einmal einen Millionenbetrag kosten.
Das halte ich weder für sozial, noch steuerpolitisch klug, insbesondere, da Pforzheim nach wie vor das baden-württembergische Schlusslicht hinsichtlich der Arbeitslosenzahlen markiert. Ich halte es in Bezug auf die Entwicklungsmöglichkeiten Pforzheims sogar nicht nur für nicht klug, sondern schlichtweg für wirtschaftspolitischen Wahnsinn.
Pforzheimer Exponentialfunktion – exponiert verschuldet
Sozialdemokratischer Logik folgend – und Gert Hager ist bekanntlich Sozialdemokrat – sollten hohe Steuern hohe Ausgaben ausgleichen. Wirft man einen Blick auf die Schuldenentwicklung der Stadt unter seiner Ägide, ergibt sich aber ein anderes Bild. In der Haushaltssatzung zum aktuellen Doppelhaushalt 2017/18 steht eine interessante Statistik, die bildhaft veranschaulicht, wie sich die Kapitalmarktschulden der Stadt und ihrer Eigenbetriebe von 2009 bis zum Jahr 2016 entwickeln. Einen Ausblick bis 2018 gibt es gratis mit dazu. Die Gesamtschulden der Stadt am Kapitalmarkt betrugen im Jahr 2009 stolze 182,5 Millionen Euro. 2016 waren es bereits 321,3 Millionen und für 2018 sind 373,4 Millionen Euro prognostiziert. Schulden verdoppelt. Angesichts der langen Finanzierungsdauer angestoßener Investitionen sind die prognostizierten Entwicklungen (in diesem Falle leider) immer mit zu betrachten.
Nimmt man nun die Eigenbetriebe aus der Rechnung heraus und vergleicht den Schuldenstand 2015 mit dem prognostizierten Schuldenstand 2021 ergibt sich ein noch düstereres Bild, wie die Stadtkämmerei eindrucksvoll vorrechnet. Innerhalb von sieben Jahren steigen die Schulden der Stadt von 106 Mio. Euro im Jahr 2015 auf 235 Mio. Euro im Jahr 2021 – eine Steigerung um 114 %! In nicht einmal einer Amtszeit!! Das Wegschmelzen des städtischen Eigenkapitals in Höhe von 176,5 Mio. Euro bis zum Jahr 2021, wie von der Kämmerei prognostiziert, ist bei diesen desaströsen Zahlen noch gar nicht mitgerechnet.
Noch schlimmer wiegt eigentlich, dass Hager die Stadt in der wirtschaftlichen Talsohle der Finanz- und Eurokrise übernommen hat. Die Lehman-Pleite und die Finanzkrise lasteten schwer auf der Weltwirtschaft. Doch die Bundesrepublik hat sich aufgerappelt, weltweit ging es ab 2009 aufwärts. Mittlerweile brummt die Wirtschaft auf Höchstkonjunktur. Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands hat sich seit Hagers Amtsantritt von 2,46 Billionen Euro 2009 auf 3,13 Billionen Euro 2016 gesteigert. Eine Zunahme um 27 %.
Man kann ja durchaus unterschiedlicher politischer Meinung über die Verwendung der Mittel sein, die man zur Verfügung hat. Das gehört dazu. Das macht die Demokratie geradezu aus. Das möchte ich ihm an dieser Stelle auch gar nicht ankreiden, wenngleich ich oft nicht damit einverstanden war, wie er das Geld ausgegeben hat.
Was Oberbürgermeister Hager allerdings getan hat, war – ganz unabhängig vom wie – zu verantworten, dass unter seiner Ägide die wichtigsten Steuern um knapp 20 % respektive 40 % erhöht wurden, die Neuverschuldung innerhalb von nur sechs (!) Jahren um voraussichtliche 114 % steigen wird, und dass, obwohl in Deutschland Rekordbeschäftigung herrscht und ein Wirtschaftswachstum von fast 30 % erzielt wurde, seit er Pforzheims Oberbürgermeister wurde. Das alles zudem völlig im Bewusstsein und trotz deutlichst geäußerter Kritik, dass er der Herr über die Finanzen war. Nicht wie in allen anderen Großstädten, größeren Betrieben und Konzernen jemand anders. Er hat sich all die Jahre strikt geweigert, seine Personalunion als Pforzheims Kanzler und Finanzminister aufzugeben. Trotz solcher Zahlen.
Genau deshalb werde ich am 07. Mai Peter Boch wählen.
Ich hoffe, Sie auch.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hans-Ulrich Rülke