Newsletter Dezember 2017
Sehr geehrte Bekannte, Freunde und Mitglieder der FDP,
hinter uns liegt ein ereignisreiches Jahr, dem man als Liberaler politisch sowohl Freudiges als auch Betrübliches abgewinnen kann. Donald Trump hat sein erstes Jahr als Präsident der Vereinigten Staaten hinter sich und die Hoffnung, er möge ein besserer Präsident denn Wahlkämpfer sein, hat sich leider nicht erfüllt. Er regiert per Dekret und Twitter und nutzt mit besonderer Vorliebe eine spezielle Möglichkeit, die Vereinigten Staaten nachhaltig zu prägen. Er gestaltet amerikanische Politik mittels der Besetzung von Richterposten. Mehr als 50 Bundesrichter wurden von ihm auf Lebenszeit ernannt, die allesamt eines eint: ein strammer Konservatismus. Ein rückschrittlicher, auf den Nationalstaat fixierter Konservatismus, den so ähnlich auch die polnische Regierung vorlebt, mit vergleichbaren Blüten. So hat die Europäische Kommission zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union Artikel 7 des EU-Vertrags bemüht, in dessen letzter Konsequenz einem Mitglied sogar Stimmrechte entzogen werden können. Der Grund dafür sind erhebliche Beschneidungen der Freiheit der Justiz in Polen durch die mit absoluter Mehrheit regierenden Rechtsnationalen. Auch in Spanien gibt es bedenkliche Tendenzen, betrachtet man das verfassungswidrige Referendum über die Abspaltung Kataloniens. Und in der Türkei wurde mit knapper Mehrheit per Volksentscheid der Laizismus atatürkscher Prägung abgewählt, zu Gunsten des Diktators Erdogan und seiner Kumpane. Die Welt und insbesondere auch Europa sieht sich dieser Tage mit Zentripetalkräften nationalpopulistischer Akteure konfrontiert, die einer ökonomischen und kulturellen Weltoffenheit, wie ich sie schätze, diametral entgegen stehen. Die Trumps, Kaczinskys und Erdogans dieser Welt stehen sinnbildlich dafür. Die Brexit-Flöte britischer Rattenfänger hat ebenso ihre fatale Wirkung gezeitigt, wie die Lockrufe katalanischer Separatisten. In den ersten knapp drei Wochen nach dem Referendum haben fast 1200 katalanische Firmen ihren Sitz in andere spanische Regionen verlegt. So viel zu großmundigen Versprechen, man wolle den immensen Reichtum nicht in die vermeintlich ach so gierigen Hände Madrids legen. Die Sicherheit eines Hafens nationaler Glückseligkeit, den Populisten allerorten versprechen, gibt es eben nicht und dennoch möchten viele Menschen den Versprechungen daran glauben, einen solchen könne es geben. Dasselbe krude Spiel können wir seit dem Scheitern der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin verstärkt auch in Deutschland beobachten. Angela Merkel hat es geschafft, nach zwölf Jahren politischer Vollnarkose mit den Auswirkungen dreier ihrer wenigen Bauchentscheidungen den nationalpopulistischen Geist auch in der Bundesrepublik aus der Flasche zu lassen. Die scheiternde Energiewende, die sie radikal verordnet hat, nachdem ein japanisches Kraftwerk von einem Tsunami beschädigt wurde; das letzte Griechenlandrettungspaket 2015; und nicht zuletzt die unkontrollierte Grenzöffnung im Herbst des gleichen Jahres, mit deren Auswirkungen sie hinterher zu den europäischen Partnern kam anstatt vorher einen Konsens zu suchen. Das hat dazu geführt, dass seither bei jeder Wahl in Deutschland Populisten und Rechtsextreme in die Parlamente eingezogen sind. Gipfelnd in einer Bundestagswahl, mit fast 13 % für eben jene und einer Erosion der beiden Volksparteien auf gerade noch zusammen 53 %.
Ihr schwarz-grüner Regierungstraum wurde jäh beendet, weil „Sie kennen mich“ angesichts der skizzierten Herausforderungen und Fehler eben nicht mehr ausreicht, um Wahlergebnisse zu erzielen, die man für solche Träume benötigt. Ein politisches Programm hatte Angela Merkel noch nie, geschweige denn hat sie sich oder ein vermeintliches politisches Programm erklärt und ist dafür eingestanden. Machterhalt darf kein Selbstzweck sein. Wir Freien Demokraten wissen das durch die schmerzlichste Erfahrung, die einer politischen Partei widerfahren kann, der kompletten Abwahl durch den Souverän.
Die Talsohle 2013/2014 haben wir durchschritten, reflektiert, uns neu aufgestellt und die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Viele Bürger sind davon überzeugt, dass es einer liberalen Stimme in deutschen Parlamenten bedarf. Allerdings haben auch viele Bürger das Vertrauen in etablierte Politik verloren, einer der Gründe für den Zulauf, den populistische Marktschreier für sich verorten können. Dieses Vertrauen kann nur zurückgewonnen werden, wenn das vor Wahlen Versprochene auch gehalten wird. Wir Freien Demokraten treten bei jeder Wahl an, um liberale Inhalte umzusetzen. Wir wollen Verantwortung übernehmen, wir wollen mitgestalten und das tun wir auch. Mitgestalten heißt aber nicht zwangsläufig mitregieren. Eine gute Oppositionsarbeit ist wirkungsmächtiger als schlechtes Mitregieren. In Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ist es gelungen, eine tragfähige Koalition mit verschiedenen Partnern zu bilden, in Baden-Württemberg und im Bund wurde uns angeboten, Steigbügelhalter für Politik zu sein, die wir für grundfalsch halten. Wir haben deshalb dort Ministerämter und Dienstwägen abgelehnt, weil es besser ist nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Ich bevorzuge es, mir vorwerfen zu lassen, die Verantwortung für eine Regierungsbildung in andere Hände zu geben, als mit dem Vorwurf konfrontiert zu sein, die FDP sei eine Umfallerpartei und betreibe Verrat am Wähler. Angesichts der Zugeständnisse der Bundeskanzlerin an die Grünen hinsichtlich der ideologisch motivierten Deindustrialisierung Deutschlands, eines großflächigen Familiennachzugs in der Migrationspolitik oder der weitreichenden Einschränkung des Individualverkehrs war es absolut richtig, die Sondierungsgespräche zu verlassen. Regierungsbildungen verlangen nach Kompromissen. Diese dürfen aber nicht einseitig zulasten eines Koalitionspartners gehen. Im Falle der Jamaika-Sondierungen war es aber ganz klar so, dass von der FDP verlangt wurde, ihre Inhalte aufzugeben und unser Sondierungsteam dazu nicht bereit war. Das beweist Rückgrat und verdient Anerkennung.
Als Winfried Kretschmann mir eine Koalition angeboten hat, war es genau dasselbe. Ich hätte ein wohlklingendes Ministeramt gehabt, das aber mit der Ansage verbunden gewesen wäre, mit 8 % brauche man nicht meinen, signifikant die Regierungspolitik beeinflussen zu können. Die CDU demonstriert auf Landesebene, wie so etwas laufen kann. Es dominiert weithin grüne Politik und die Union schafft es trotz der Größe ihrer Fraktion nicht ansatzweise, ihre Wahlversprechen umzusetzen. Die vermeintliche Komplementärkoalition zeichnet sich dadurch aus, dass der Ministerpräsident an Fasnachtsdienstagen nach eigener Auskunft auch mal 18 Liter Bier schafft, Innenminister Strobl hingegen tausend Flaschen Wein, wie er selber zugegeben hat. So ergänzen sich die beiden.
Ansonsten ist trotz eines üppig gefüllten Steuersäckels weder im Jahresrückblick, noch im Doppelhaushalt für die kommenden beiden Jahre die Handschrift der CDU zu erkennen. Anstatt tausend zusätzlichen Polizisten werden wir 20 Beamte weniger haben, wenn die Legislatur endet. Die Landesbauordnung mit ihren überdachten Fahrradstellplätzen und dem Dachefeu war einer der Wahlkampfschlager der CDU: Sie wurde nicht angerührt. Das feste Ziel der Union, die Bildung auch abseits der Gemeinschaftsschulen wieder voran zu bringen: Krachend gescheitert, wie die fortlaufende Verschlechterung der baden-württembergischen Schüler in quasi jedem Bereich zeigt. Im Gegenzug hat die CDU aber einem Haushalt zugestimmt, der nach der ursprünglichen Landeshaushaltsordnung fast 10 % der Landesschulden hätte tilgen müssen, aber durch Trickserei nicht einmal ein Viertel der Tilgung erreicht. Zudem wird ein reichhaltiges Füllhorn gutdotierter Versorgungsstellen in der Umweltverwaltung und den Ministerien ausgeschüttet, das grünen Parteisoldaten von NABU und BUND ein sicheres Einkommen beschert. Benötigt wird davon nichts, künftige Haushalte aber noch auf Jahrzehnte hinaus belastet. Winfried Kretschmann zeigt, dass Thomas Strobl nicht sein Erster Offizier, sondern einer der Leichtmatrosen an Deck ist.
Ein kommunales Leichtmatrosentum wurde Anfang Dezember von SPD sowie den linken und grünen Splitterungen der Pforzheimer Stadtpolitik zur Schau getragen. Anstatt zu einer informellen Fraktionsvorsitzendenrunde mit dem Oberbürgermeister und den anderen Fraktionsvorsitzenden zu gehen, dachten sich die Matrosenanwärter, es sei besser, die Presse einzuladen, um öffentlich zu beweinen, dass zu wenig Kommunikation zwischen OB und linken Räten stattfinde, es gar eine Koalition aus dem bösen Oberhaupt, den Bürgerlichen und der AfD gegen deren Meinung gebe. Diese Art die Dinge zu betrachten ist keineswegs neu, wenngleich mit wenig Ruhm behaftet. Miguel de Cervantes beschrieb sie bereits im 17. Jahrhundert ganz vorzüglich. Denn auch Don Quijote sah die Dinge nicht, wie sie waren, trotz mahnender Worte seines Gefährten Sancho Panza. Wer des Zählens mächtig ist, stellt fest, dass CDU, FDP/FW, UB und der Oberbürgermeister über die notwendige Mehrheit von 21 Stimmen verfügen, die es braucht, um einen gemeinderätlichen Beschluss zu verabschieden. Ganz ohne andere Beteiligte. Don Quijote, der ‚Ritter von der traurigen Gestalt‘ und seine vier Pforzheimer Kollegen…
Am Abend der letzten Gemeinderatssitzung wollte ich aus Neugier wissen, wie es die Afghanen mit direkter Demokratie auf kommunaler Ebene halten. Kein einziger Treffer bei google. Weshalb ich das wissen wollte? Nun, direkte Demokratie stand auf der gemeinderätlichen Tagesordnung eben jener Gemeinderatssitzung und eine schwarz-rot-grüne „Afghanistan-Mehrheit“ hat den Einbezug der Bürger beim größten Bauprojekt der Pforzheimer Nachkriegsgeschichte rundheraus abgelehnt. SPD und Grüne haben die Streichung der Bürgerbeteiligung sogar eigens gegen den Verwaltungsvorschlag beantragt. Bezeichnend also, das Null-Ergebnis der google-Suche.
Der Antrag meiner Fraktion auf einen Bürgerentscheid zu diesem Thema fand keine Mehrheit, dafür aber im Anschluss der Antrag von Roten und Grünen unterstützt von der CDU-Fraktion, die es den Bürgern offenbar nicht zutrauen, zwischen dem vorliegenden Konzept einer risikobehafteten Neugestaltung der östlichen Innenstadt und der Offenhaltung der zentralen Nord-Süd-Verbindung am Schloßberg auszuwählen. Eine solche Befragung, ob die Umsetzung des Bauvorhabens fortgesetzt werden sollte, war Bestandteil des Verwaltungsvorschlags, der den von mir schon lange geforderten Einbezug des Bürgerwillens bei so einem Mega-Projekt sicherstellen sollte. CDU, SPD und Grüne wollten genau das verhindern. Dass die Pforzheimer Sozialdemokratie ein unerwartetes Faible für spanische Weltliteratur hat, ihre Abende aber weniger mit der Lektüre Kantscher Lehren vom mündigen Bürger zu verbringen scheint und Humboldt eher mit dem gleichnamigen Pinguin, denn mit einem Bildungsziel verbindet, war wenig überraschend, die Begründung dennoch erstaunlich. Nachdem der rote Ex-OB hinter verschlossenen Türen immer erklärt hatte, es sei zu früh für Bürgerbeteiligung, weil ja alles noch nichtöffentlich sei, erklärten die Genossen nun kurzerhand, nun es sei dafür zu spät, weil das Projekt ja so weit fortgeschritten sei. Eine bemerkenswerte Logik. Mindestens ebenso bemerkenswert aber war die Vehemenz der grünen Farben in Pforzheims Stadtparlament. Noch nie habe ich Grüne erlebt, die sich so energisch gegen Bürgerbeteiligung und direktdemokratische Elemente ereifert haben. Ihr gleichsam skurriles, wie bezeichnendes Argument war, die Bürger seien mit der Komplexität des Projekts überfordert. Übersetzt bedeutet das: „Bürgerbeteiligung gerne, aber nur dann, wenn mir das voraussichtliche Ergebnis auch gefällt!“ Dabei lässt sich die Entscheidung, um die es geht, in einem einzigen Satz beschreiben.
Möchte ich ein neues Innenstadtquartier mit hohen privaten Investitionen zum Preis eines mittleren zweistelligen Millionenbetrags, der Schließung der Schloßbergauffahrt und des Abrisses des Technischen Rathauses haben oder will ich das nicht?
Vor der Antwort auf diese Frage hatte offenbar auch die CDU-Fraktion große Angst. Nachdem der CDU-Fraktionsvorsitzende Florentin Goldmann ein paar Wochen vorher noch bereitwillig erklärt hatte, er sei dafür die Bürger einzubeziehen, erklärte er während der Sitzung kurzerhand, man werde gegen direkte Demokratie stimmen, was sein Fraktionskollege Carsten von Zepelin von der Tribüne aus erlebte. Dort hatte sich dieser trotz öffentlicher Zusage, einer Bürgerbeteiligung zuzustimmen aus Befangenheitsgründen hinbegeben.
Was die CDU in ihrer Angst und Wankelmütigkeit allerdings vergessen hat, zu bedenken, ist die Tatsache, dass sobald einer sein Wort bricht, der andere auch nicht mehr gebunden ist.
Ich hatte mich stellvertretend für die Fraktion bereit erklärt, den Verwaltungsvorschlag mitzutragen, sollte unser Antrag auf Bürgerentscheid keine Mehrheit bekommen. Die Grundlagen dafür wurden von allen Fraktionsvorsitzenden erörtert, es war schließlich auch ein Wahlversprechen des OBs, einen Vorschlag zu erarbeiten. Florentin Goldmann hat diesem zugestimmt.
Nun, da die CDU-Fraktion den durchaus fairen Vorschlag durch den Wortbruch ihres Fraktionsvorsitzenden verhindert und den Bürgern die Möglichkeit genommen hat, sich zu diesem Projekt zu artikulieren, wird es eben anders laufen. Sobald der fertige Vertrag auf dem Tisch liegt, wird meine Fraktion ihn sich anschauen, und dann entscheiden, ob sie ein Bürgerbegehren auf den Weg bringt. Ich bin mir recht sicher, dass wir für diesen Fall die knapp sechseinhalb tausend Unterschriften für einen Bürgerentscheid in Pforzheim zügig sammeln können, so groß, wie das öffentliche Interesse ist. Die ersten Anfragen, wo man denn unterschreiben könne, habe ich bereits erhalten. Womit ich mit Sicherheit nicht hinter dem (Schloß-)Berg halten werde, wird sein, wer den Bürgern eben dies vorenthalten wollte.
Terminhinweis:
Ich darf Sie alle sehr herzlich zum Neujahrsempfang des FDP-Kreisverbands Pforzheim/Enz am Samstag, den 20. Januar um 15 Uhr im Bürgerhaus Buckenberg-Haidach, Marienburger Straße 18, 75181 Pforzheim einladen. Ich freue mich, Ihnen Prof. Dr. Erik Schweickert MdL sowie Pascal Kober MdB ankündigen zu dürfen, der zum Thema „Die Freiheit Deutschlands wird auch am Niger verteidigt“ referieren wird.
Ich freue mich auf die Begegnung mit Ihnen beim Neujahrsempfang, wünsche einen guten Start ins Neue Jahr und verbleibe
mit herzlichen Grüßen
Ihr Hans-Ulrich Rülke