Newsletter Juni 2016
Die Tatsache, dass an der Stelle meines Newsletters, in der es um die Landespolitik gehen soll, zunächst ein kleiner Ausflug in die Fauna eines wundervollen Fleckens Erde erfolgt, hat einen so simplen wie treffenden Grund. In Neuseeland, Naturparadies und Heimat der legendären Hobbits aus der „Herr-der-Ringe-Trilogie“, hat auch ein putziger kleiner Vogel seine Heimstatt. Der Name desselben: Apteryx oder Schnepfenstrauß, gemeinhin auch als Kiwi bekannt und Nationalsymbol Neuseelands. Sie fragen sich, was das mit der baden-württembergischen Landespolitik zu tun hat? Nun, eine ganze Menge. Die grün-schwarze Kiwi-Koalition, ihres Zeichens nach der säuerlichen Frucht benannt, weist bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit dem gleichnamigen Vogel auf. Ich möchte Ihnen ein paar davon nicht vorenthalten.
Zunächst einmal sind Kiwis Vögel.
Weiterhin haben die Schnepfenstrauße vier bis fünf Zentimeter lange Flügel, sind aber nicht in der Lage, damit zu fliegen. Die Flügel haben an ihren Enden kleine Krallen, die aber ohne erkennbare Funktion sind.
Kiwis besitzen keinen äußerlich sichtbaren Schwanz, dafür aber einen sehr kleinen Kopf mit einem sehr langen Schnabel, der bei Weibchen um gut 30 Prozent größer ist als bei Männchen.
Lautgebungen sind oft das einzige, was Menschen von Kiwis mitbekommen. Kiwis rufen das ganze Jahr und die ganze Nacht hindurch, doch diese Rufe scheinen hauptsächlich für die Revierverteidigung eine Rolle zu spielen.
Die, wie ich finde auffälligste Gemeinsamkeit aber ist die Tatsache, dass Kiwis sich oft auf ihren Schnabel stützen, um im Stand das Gleichgewicht zu halten.
Der Name Kiwi-Koalition wurde also ganz grundsätzlich gut gewählt, sowohl was die Namensvetternschaft mit dem Vogel als auch mit der Frucht anlangt. Schließlich passt die Farbe der aufgeschnittenen Frucht auch ganz hervorragend zu den Inhalten des Koalitionsvertrages, wie bereits im letzten Newsletter erörtert: viel Grün und nur vereinzelt schwarze Punkte.
Den Spaß, der grün-schwarzen Koalition ihre Namensvetternschaft zu erläutern, habe ich mir im Anschluss an meine Rede zum Kiwi-Koalitionsvertrag nicht nehmen lassen.
Brexit
Den kleinen Ausflug in den Klamauk gestatte mir der geneigte Leser, gibt es doch genügend weniger schöne tagesaktuelle Dinge. Das zweifelsohne bestimmende und folgenreichste politische Ereignis des zurückliegenden Monats war der sogenannte Brexit – das knappe Votum der Briten für das Ausscheiden aus der Europäischen Union. Nun ist man sich bislang über zwei Dinge einig: Zum einen, dass dieses Votum durch seine Ein- und Erstmaligkeit eine Zäsur in der europäischen Geschichte darstellt. Zum anderen, dass man noch ein wenig ratlos ob der Folgen dieses Votums sein darf. Augenscheinlich ist sich mittlerweile nicht einmal mehr der vehementeste Befürworter eines Brexits, der ehemalige Londoner Oberbürgermeister Boris Johnson, noch ganz sicher, ob er das überhaupt wollte. Das wird zumindest weithin spekuliert und liegt auch nahe, beobachtet man die relative Stille im Lager der Brexit-Befürworter, nachdem der Wahlkampf doch recht rüde geführt wurde.
Als Schluss aus dem Ausgang des Referendums darf bislang festgehalten werden, dass den moderaten, pro-europäischen Kräften augenscheinlich nicht nur die Deutungs- sondern auch die Erklärungshoheit über wichtige Fragen und Sachverhalte unserer Zeit abhanden gekommen sind. Man darf eben, ganz gleich in welchem europäischen Mitgliedsstaat, den Menschen nicht unablässig predigen, dass alles Schlechte und jeder reglementierende Eingriff in den Lebensalltag der Menschen von einer diffusen europäischen Obrigkeit käme. Denn irgendwann beginnen die Bürger dies zu glauben und votieren entsprechend – zugunsten reaktionärer Kräfte, die gar kein Interesse daran haben, zu gestalten. Es gilt nun einen Mittelweg zu finden, der sich zwischen den beleidigten „Austritt sofort!“-Tiraden so manch eines europäischen Spitzenpolitikers und den leeren, destruktiven Versprechungen der Rattenfänger zu bewegen hat. Eine Rosinenpickerei der Briten mit reichhaltigsten Zugeständnissen zulasten der verbleibenden 27 Staaten darf es ebenso wenig geben, wie die Befriedigung diffuser Rachegelüste enttäuschter europäischer Mandatsträger.
Zwei wertvolle Lehren aus dem Brexit
Sofern man als überzeugter Europäer diesem Votum etwas Gutes abgewinnen möchte, so kann dies Zweierlei sein: Ein klareres Signal gegen die Entparlamentarisierung der Europäischen Idee ist kaum vorstellbar. Deutet man die Abkehr von der Europäischen Union als Ausdruck des Unbehagens gegen ein vermeintliches Hinterzimmergeklüngel zahlenmäßig kleiner Eliten, so kann der Schluss daraus nur sein, dass künftig wieder Parlamente weitreichend über die Gestaltung Europas entscheiden sollten – Subsidiarität ist das Schlüsselwort. Der arrogante Duktus eines Kommissionspräsidenten Ihro Gnaden, das Umgehen des parlamentarischen Haushaltsrechts eines Zentralbankiers, den niemand gewählt hat oder machtpolitische Alleingänge einer einzelnen Regierungschefin tragen eben nicht dazu bei, das Gefühl der Ohnmacht vieler europäischer Bürger zu beheben. Ich bin mir sicher, dass die Wertschätzung gegenüber dem bisher Erreichten wieder erheblich steigen wird, besinnt man sich darauf, auch europäische Entscheidungen wieder verstärkt regional und national parlamentarisch zu beschließen. Sobald das Gefühl zurückkehrt, man habe mit der eigenen Stimme Einfluss – auch auf europäischer Ebene – wird auch die Zustimmung zur Union wieder steigen.
Die zweite Lehre aus dem Brexit ist die folgende: Die schmutzige Lügenkampagne der Rechten hat sich selbst entzaubert. Es folgt das böse Erwachen, nachdem die Nationalisten triumphiert haben und sich heraus stellt, dass alle Mahner Recht behalten haben, die vor zu viel Vertrauen in diejenigen gewarnt haben, die so vollmundig das Blaue vom Himmel versprechen. Parolen und Provokationen ersetzen eben nicht das inhaltliche Ringen um die Gestaltung eines gemeinsamen Europas, das zuvorderst von Kooperation und Frieden geprägt zu sein hat. Und dies, ohne dass die Interessen der Menschen, die in Europa leben, in demagogischer Weise gegeneinander ausgespielt oder unverhältnismäßig fremdbestimmt werden. In diesem Spannungsfeld zwischen einem Höchstmaß an Subsidiarität, einem Mindestmaß an gemeinsamen Regeln und Pflichten und dem unbedingten Willen, ein freiheitliches, freizügiges und florierenden Handel treibendes Europa zu erhalten und zu gestalten, werden sich die Freien Demokraten weiterhin bewegen. Ich ganz persönlich werde dies gegen falsche Nationalismen, Egoismen, Zentralismen und plumpe Plattitüden auch in Zukunft wehrhaft verteidigen.
Pforzheim ist Spitze – zumindest bei den Steuern
„Wir haben den Eindruck, Sie haben die Schlussfolgerung gezogen, das Schiff ist auf falschem Weg, infolge dessen müssen wir das Gaspedal richtig durchdrücken.“ Mit diesen Worten habe ich mich in der Haushaltsrede am 09. März 2015 vor dem Gemeinderat an Oberbürgermeister Hager gewandt, um davor zu warnen, welche Folgen die überbordende Ausgabenpolitik des Rathauschefs provozieren werde. Die Sorge, künftig keine genehmigungsfähigen Haushalte aufstellen zu können, ohne an Stellen sparen zu müssen, an denen es sich nicht zu sparen gehört, war leider mehr als berechtigt. Prestigeprojekte wie der schneeweiße ZOB, in den es hineinregnet oder die Megasumme für die Innenstadtentwicklung-Ost haben dazu geführt, dass Oberbürgermeister, CDU, SPD und Grüne sich angesichts der vom Regierungspräsidium geforderten Einsparungen dazu bemüßigt gefühlt haben, ein Sparpaket von beispielloser Grausamkeit zu verabschieden. Eine Gewerbesteuer, deren Höhe in Baden-Württemberg ihresgleichen sucht, eine Erhöhung der Grundsteuer, die sowohl Grundbesitzern als auch einkommensschwachen Mietern jedes Jahr Millionenbeträge abverlangt sowie horrende Preiserhöhungen für Kita-Plätze sind neben heftigen Kürzungen bei quasi allen sozialen Trägern in Pforzheim nur ein paar der Dinge, die der Oberbürgermeister und seine schwarz-rot-grüne Afghanistan-Koalition am Altar des Betons geopfert haben.
Die unglaubliche Absurdität desselben wird besonders deutlich, vergleicht man die Inhalte dieses Sparpakets, wie etwa die massiven Erhöhungen der innerstädtischen Parkgebühren mit den Zielen der Maßnahmen, die ob ihres Preises solch hohe Einsparungen überhaupt nötig gemacht haben. Die Kosten für die Aufhübschungen der Innenstadt bewegen sich nämlich auf einem ähnlichen Niveau, wie die aus Karlsruhe geforderten Einsparungen. Viele Effekte des Sparpakets aber – wie eben die Verteuerung innerstädtischen Parkens – laufen konträr zu den eigentlichen Zielen der Investitionen, nämlich der Steigerung der Attraktivität der Innenstadt. Im Endeffekt wird also einfach Geld verbrannt, das nun denjenigen fehlen wird, die darauf angewiesen sind sowie denjenigen, die es erwirtschaften sollen. Dafür kommt voraussichtlich ein hübsches Viertel in Rathausnähe. Allerdings darf ich Ihnen versichern, dass ich und meine Fraktion weiterhin vehement dagegen kämpfen werden, um den durch die verantwortungslose Politik schwarzer, roter und grüner Färbung entstandenen Schaden nicht noch größer werden zu lassen.
Ihr
Hans-Ulrich Rülke