Newsletter Juni 2017
FDP im Norden und Westen in Regierungsverantwortung
In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben die Freien Demokraten mit klaren Politikangeboten eine Beteiligung an der Landesregierung erringen können. Mit Christian Lindner und Wolfgang Kubicki sind zwei erfahrene liberale Politiker weiterhin darauf bedacht, für die Inhalte der FDP zu kämpfen und, wenn notwendig, in die Opposition zu gehen, falls mit dem Regierungspartner keine Umsetzung der liberalen Politik stattfinden kann. Dies ist gegen Ende des Monats nicht nötig gewesen, da die designierten Koalitionspartner, dazu bereit waren, den Forderungen der Freien Demokraten zuzustimmen.
In Schleswig-Holstein regiert nun die von Wolfgang Kubicki geführte FDP mit der CDU und den Grünen, der Koalitionsvertrag in NRW ist unter der Führung Christian Lindners, in Kooperation mit dem designierten Ministerpräsidenten, entstanden. Unser Bundesvorsitzender und Herr Laschet haben sich auf einen Koalitionsvertrag einigen können, der den Ansprüchen der Freien Demokraten gerecht wird. Nun gilt es weiterhin standhaft zu bleiben, damit das liberale Politikangebot in den Regierungskoalitionen umgesetzt werden kann.
Die Koalition der scheinheiligen Datensammler
Mit meiner Fraktion habe ich in diesem Monat eine Aktuelle Debatte beantragt und die Landesregierung gefragt, ob Datenschutz Verbrecherschutz sei, wie eine Aussage von Thomas Strobl nahelegt. Ausgehend von den Antworten kann ich der grün-schwarzen Landesregierung nur noch mangelnde Glaubwürdigkeit in mehreren Politikbereichen attestieren. Aus Sicht der FDP-Fraktion muss es gelingen, Freiheit und Sicherheit als die beiden Seiten der gleichen Medaille zu sehen.
Benjamin Franklins Satz, „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren“, ist nach wie vor gültig. Aber auch Wilhelm von Humboldts Wort „Denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit“ ist zutreffend. Deshalb müssen Freiheit und Sicherheit immer wieder auf sensible Weise neu ausjustiert werden.
Wenn mit Innenminister Thomas Strobl sich ein weiterer „großer abendländischer Denker“ neben Franklin und Humboldt stellt und im Zusammenhang mit seinem Vorschlag, die Mautdaten zur Verbrechersuche zu nutzen sagt: „Datenschutz darf kein Täterschutz sein!“ muss dieser Aussage in ihrer Schlichtheit widersprochen werden. Dem Landesdatenschutzbeauftragten Brink stimme ich zu, wenn er sagt, dass ein solcher Satz zu kurz greife.
Noch bemerkenswerter sind aus meiner Sicht aber die heftigen Reaktionen von Seiten des grünen Koalitionspartners. Der Abgeordnete Sckerl tönte: „Wir lassen nicht zu, dass der Datenschutz in der aufgewühlten sicherheitspolitischen Debatte unter die Räder kommt.“ Und der grüne Landesvorsitzende Hildenbrand hatte der CDU gar „ausufernde Kontrollfantasien“ vorgeworfen. An Strobl gewandt hatte er gar gemutmaßt: „Das würde George Orwell auf die Autobahn bringen!“ Nun heißt aber der George Orwell des 21. Jahrhunderts Winfried Hermann, und der bringt 1984 nicht nur auf die Autobahn, sondern sogar in den Stuttgarter Talkessel.
Noch am 25. April 2017 schrieb Hermann: „Technische Maßnahmen zur Kontrolle, wie z. B. eine automatische Kennzeichenerkennung, sind gegenwärtig nicht vorgesehen.“ Das erinnere an die berühmte Behauptung, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten. Denn zur selben Zeit hatte Hermanns Amtschef Lahl im Auftrag des Ministers beim Innenministerium das Folgende angeregt: „In einem ersten Schritt müsste sodann ein Abgleich des KFZ-Kennzeichens und KFZ-Typs mit den beim Kraftfahrzeugbundesamt hinterlegten Fahrzeug- und Schadstoffdaten erfolgen.“ So also sieht die grüne Moral aus: „Wenn Strobl Mörder fangen will, dann ist das George Orwell, aber wenn Hermann den Dieselfahrer jagt, dann ist alles erlaubt.“
Hermanns Ausrede, er habe sich nur auf einen Prozess vorbereiten wollen, ist im höchsten Maße grotesk. An einen „Prozess“ erinnert Hermanns Gebaren ja schon, aber nur an den von Franz Kafka. Interessanter ist da schon, dass Hermann möglicherweise ein prominenter Diesel-Fahrer ins Netz gehen könnte: „Ein Großvater, der sich erst kürzlich einen neuen Diesel gekauft hat, weil er ja gelegentlich Sand für den Enkel holen muss, und dafür ein ,gscheites‘ Auto braucht – unser Ministerpräsident.
Nun vermuten wir zwar, dass sich Herr Kretschmann einen Diesel der Euro-Norm-6 gekauft hat; aber in der Landespressekonferenz vom 4. Mai 2017 hat Hermann klargemacht, dass er auch denen ans Leder will. Die Nachrüstungen müssen, Hermann zufolge, so viel bringen, wie die Fahrverbote. Und hierbei gehe es nicht nur um Euro 5, sondern auch um Euro 6, so Hermann. In logischer Konsequenz will doch Hermann den Ministerpräsidenten fangen. Deshalb hat die FDP auch viel Verständnis dafür, dass Herrn Strobl der Kragen ob dieser Doppelmoral der Grünen geplatzt ist und man Hermanns Anfrage ans Innenministerium an die Presse durchgestochen hat, um den einst so geliebten grünen Koalitionspartner in seiner Doppelmoral zu enttarnen.
Aber wie sieht es denn mit der Doppelmoral von Thomas Strobl selbst aus? Am 14. Juni 2017 sagte er:
„Daten für centgenaue Abrechnungen zu speichern, sie aber zur Aufklärung schwerster Verbrechen zu verweigern, ist niemandem zu vermitteln.“ Ach ja, Herr Strobl? Derselbe Thomas Strobl hatte nämlich im Jahre 2015 Dobrindts Mautgesetz im Deutschen Bundestag zugestimmt. Dort heißt es aber zum Thema Mautdaten: „Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig.“ Und der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion führt dazu aus: „Der Datenschutz war ebenfalls ein wichtiger Diskussionspunkt, der auch für uns als Unionsfraktion eine große Bedeutung hat.“ Strobl und Hermann können sich also die Hände reichen: Scheinheiligkeit soweit man blicke. So funktioniert also diese Komplementärkoalition: Der Innenminister enttarnt den Verkehrsminister in seiner Absicht, den Ministerpräsidenten als Dieselfahrer zu überführen, wenn der Sand für den Enkel holt. Und zum Ausgleich enttarnt sich der Innenminister selber als einer, der im Bundestag für den Datenschutz kämpft, aber hier im Landtag George Orwell spielt! Eines ist jedenfalls nun klar: Diese Koalition ist keine Komplementärkoalition, auch keine Kiwi-Koalition, sondern die Koalition der scheinheiligen Datensammler!
Über Diesel-Fahrverbote und Stickoxid muss nüchtern und sachlich diskutiert werden
„Der Innovations- und Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg muss andere Antworten auf die Stickoxid-Problematik finden können, als plakative Diesel-Fahrverbote in Stuttgart. Die Menschen im Land haben ein Recht auf verlässliche Politik. Es kann nicht sein, dass Autos, die keine zwei Jahre alt sind, von Fahrverboten betroffen sind“. Dies teilte ich den Vertretern der Presse im Rahmen der Landespressekonferenz, ich zusammen mit Norbert Haug, Journalist und ehemaliger Motorsport-Chef von Mercedes-Benz, und dem verkehrspolitischen Sprecher Jochen Haußmann abhielt.
Mit einer Nachrüstung von Euro-5-Fahrzeugen und einer Aktualisierung der Steuerung von Euro-6-Fahrzeugen auf die Rahmenbedingungen des Alltagsbetriebs kann ganzjährig weitaus mehr erreicht werden, als mit tageweisen Verboten. Wer für die Umwelt tatsächlich etwas erreichen will, darf die Problematik des Fahrzeugbestands nicht ignorieren. Statt über Fahrverbote, die nur an wenigen Tagen Effekte erzielen, sollte Minister Hermann an einer Nachrüststrategie in Partnerschaft mit der Autobranche und zusammen mit dem Bund und gegebenenfalls der EU arbeiten. Wenn Euro 5 nachgerüstet und die ersten Generationen an Euro 6 in der Steuerung optimiert werden, kann wesentlich mehr und vor allem nachhaltig erreicht werden als mit tageweisen Verboten.
Der Journalist und ehemalige Motorsport-Chef Norbert Haug gab während der Konferenz zu Protokoll, dass man eine verlässliche Politik brauche, die den technologischen Wandel zur langfristig emissionsfreien Mobilität klug moderiere. „Einseitige Verbote, die den Wirtschaftsstandort schwächen, sind fehl am Platz. Der Diskurs zu diesem Thema sollte einer rationalen Argumentationslinie folgen und auf emotionale Schuldzuweisungen verzichten. Gerade die baden-württembergische Automobilindustrie trägt mit ihren Innovationen einen wichtigen Beitrag zur emissionsarmen Mobilität der Zukunft bei. Hier darf die Politik nicht mit Verboten Technologien in ihrer weiteren Entwicklung abwürgen. Meine Maxime ist: Weg von den Symbolen, hin zu den Fakten. Unbedingt muss auch an die Menschen gedacht werden, die auf ihr Auto angewiesen sind. Viele von ihnen hätten aktuell – keine zwei Jahre nach dem Neukauf – ein ‚altes‘ Auto, das bei einem Fahrverbot nicht bewegt werden dürfte und deshalb deutlich an Wiederverkaufswert verliert. Eine Entwicklung, die heute bereits bei gebrauchten Diesel-PKW unterhalb der Euro 6-Norm stattfindet, so Haug.
Zum Tode Helmut Kohls, einem großen Staatsmann und Europäer
Kohl hat die Europäische Union zu einer beispielgebenden Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft geformt. Mit ihm verliert Deutschland nicht nur einen großen Staatsmann, ohne dessen Initiative die deutsche Wiedervereinigung illusorisch geblieben wäre, sondern auch einen großen Europäer, der die Europäische Union mit Leben erfüllt und zu einer Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft geformt hat, die ihresgleichen sucht.
Die Nachfolgegenerationen sind gut beraten, sein Erbe zu bewahren und den reaktionären, nationalistischen Kräften in Europa mit Entschiedenheit entgegenzutreten.
Versetzung gefährdet
Der Juni hatte in Pforzheim politisch, trotz einiger Aufschübe durch den anstehenden Wechsel im Oberbürgermeisteramt, einiges zu bieten. Auf zweierlei Dinge möchte ich dabei besonders eingehen. Auf die kafkaeske Wandlung der Pforzheimer Baubürgermeisterin Sibylle Schüssler von der selbstbewussten Verteidigerin parlamentarischer Einbindung als Stadträtin, hin zur Baudezernentin mit arroganter „Ich-zieh-das-jetzt-durch“-Attitüde sowie auf das Fortschreiten des Projekts Innenstadtentwicklung-Ost, von dem jüngst die drei am wenigsten schlechten Entwürfe der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Warum am wenigsten schlecht? Das ist leicht zu erklären.
Der Entwurf mit der besten Punktzahl hat nicht einmal die Hälfte der Punkte erreicht, die bei der Bewertung der Entwürfe erreicht werden konnten. In Schulen oder Hochschulen benötigt man üblicherweise die Hälfte der Punkte, um in einer Klausur zumindest eine Vier – ausreichend – zu erreichen. Die drei nun präsentierten Entwürfe liegen allesamt darunter. Sie bewegen sich im Schnittfeld zwischen mangelhaft und ungenügend. Versetzung gefährdet. Zudem enthalten sie allesamt in ihren Planungen, den Schlossberg für den Autoverkehr zu schließen.
Dieser ist aber eine der Hauptverkehrsadern Pforzheims, um von der Südstadt aus kommend, die Innenstadt zu durchqueren und in die Nordstadt zu gelangen. Der ohnehin sehr angespannten Verkehrslage in der Stadt kommt eine solche Idee sicherlich nicht zupass. Ich bin gespannt, wie die Bürger darüber entscheiden werden. Das Plebiszit dazu wurde von meiner Fraktion bereits beantragt.
Die Wandlung der Sibylle S.
In den kommenden Tagen feiert Baudezernentin Sibylle Schüssler ihr einjähriges Amtsjubiläum. Zeit, ein kleines Resümee zu ziehen. Kennengelernt habe ich sie als langjährige Stadträtin der Grünen Liste, die so etwas ähnliches ist, wie die Grünen. Ich teilte nicht oft ihre Meinung, habe aber ihren wachen Verstand, ihr von wohlmeinendem Idealismus geprägtes Auftreten, sowie ihren unermüdlichen Einsatz für die Rechte des Stadtparlaments und seiner einzelnen Mitglieder geschätzt.
Insbesondere von letzterem ist binnen Jahresfrist aber nicht mehr allzu viel übriggeblieben. Mehrere Schriftwechsel zwischen ihr und meiner Fraktion legen da eindeutig Zeugnis ab. Eine dieser Angelegenheiten, deren Inhalt wir den anderen Ratsfraktionen zur Kenntnis gaben, hat für reichlich Diskussion gesorgt und dem Vernehmen nach ist meine Fraktion beileibe nicht die einzige, die den Sachverhalt kritisch bewertet.
Die Baubürgermeisterin ist zugleich Vorsitzende des Bau- und Liegenschaftsausschusses und deshalb mit der Vorbereitung und Ausübung von Vorkaufsrechten der Stadt für Grundstücke zuständig. Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Üblicherweise werden Informationen zu derlei Geschäften aufbereitet, zumindest den Ausschussmitgliedern zur Verfügung gestellt und dann im Ausschuss zur Abstimmung präsentiert. Nicht so in diesem Fall. Die Vorsitzende hat während der Sitzung Zettel ausgeteilt, die die Ausübung eines solchen Vorkaufsrechts in Höhe von mehr als einer Million Euro zum Inhalt hatten. Auf den Einwand eines meiner Fraktionskollegen, er wolle über solche Summen nicht ohne Vorberatung mit der Fraktion abstimmen, behauptete Schüssler, es ginge nicht anders und müsse am selben Tag zur Abstimmung gelangen. Das ist schlicht und ergreifend falsch und widerspricht nicht nur den üblichen Gepflogenheiten, sondern insbesondere dem Geist, gewählte Stadträte nicht als Personal zu betrachten, das Bürgermeisterwünsche abnickt, sondern als das, was sie sind: Gewählte Interessenvertreter der Pforzheimer Bevölkerung. Grund genug für mich, den Sachverhalt von der Rechtsaufsichtsbehörde prüfen zu lassen. Vielleicht wäre die Stadträtin Schüssler auf dieselbe Idee gekommen wie ich, hätte sie erlebt, was die Baubürgermeisterin Schüssler da macht. Als Stadträtin hätte sie jedenfalls niemals toleriert, was sie nun als Bürgermeisterin selbst betreibt.
Ihr Hans-Ulrich Rülke