Newsletter Mai 2021
Sehr geehrte Bekannte, Freunde und Mitglieder der FDP,
die Landtagswahl vom 14. März ist mittlerweile Geschichte, der Landtag hat sich im Mai zur 17. Wahlperiode des Landtags von Baden-Württemberg konstituiert. Die Neuauflage der grün-schwarzen Koalition steht, das Kabinett Kretschmann III ist vereidigt, Ende Mai verlas der Ministerpräsident seine Regierungserklärung. Die grün-schwarze Neuauflage gab es allerdings nicht ohne Geburtsschwierigkeiten und Irritationen auf dem Weg dorthin.
Kretschmann setzt auf Zwergenkarte
Denn nach dem mit 10,5 % herausragenden Wahlerfolg für die Freien Demokraten am 14. März, dank dem die Fraktion, die ich auch künftig führen darf, von 12 auf 18 Abgeordnete angewachsen ist, gab es nach der Wahl zwei ernsthafte Optionen für eine künftige Landesregierung. Eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP oder eine Fortsetzung von Grün-Schwarz. Eine rechnerisch mögliche Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP stand nicht zur Debatte, nachdem die CDU noch in der Wahlnacht ihre Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann abgesägt und den Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten aufgegeben hatte. Der CDU-Landeschef Thomas Strobl zog es vor, alles auf die Zwergenkarte zu setzen und bei Ministerpräsident Kretschmann dafür zu werben, eine koalitionäre Existenz als kleiner, grüner Satellit führen zu dürfen.
So beeindruckend unterwürfig dieser Akt der Selbstverzwergung der einst so stolzen ehemaligen Volkspartei war, so notwendig war er für Thomas Strobl, hatte er es als Stellvertretender Ministerpräsident noch nicht einmal geschafft, ein Landtagsmandat zu erringen. Überdies war die Angst der CDU davor, alleine neben der AfD in der Opposition zu hocken gigantisch. Ohne Ämter, ohne Dienstwagen, ohne Inhalte.
Konstruktive Sondierungen – turbulente Entscheidung
Angesichts des Resultats der Landtagswahl mit den klaren Gewinnern Grüne und FDP und den klaren Verlierern von der CDU luden die Grünen für Sondierungsgespräche abwechselnd CDU, SPD und FDP ein. Ich kann Ihnen berichten: Die Gespräche zwischen FDP und Grünen waren äußerst konstruktiv und verliefen in einer angenehmen Atmosphäre. Ebenfalls unter Hinzuziehung der SPD. Im Prinzip waren sich alle einig, wie die Marschrichtung sein würde, sollte es zu Koalitionsverhandlungen kommen. Inhaltlich unüberwindbare Gräben gab es nicht. Denn einem jeden schien klar, dass eine Koalition Kompromisse erfordert und es keinem der Partner dienlich ist, eine Position der Stärke so zu nutzen, dass sich ein kleinerer Partner nicht mehr wiederfindet und auf Jahre hinaus zu Unzufriedenheit neigt. Die Vorstellung einer progressiven Koalition, die grüne Nachhaltigkeit und Klimaschutz mit ökonomischer Vernunft und sozialer Gerechtigkeit vereint, war weit gediehen. Und so kam es, dass sich die grüne Partei- und Fraktionsspitze nach dem Ende der Sondierungen mit dem Ministerpräsidenten traf und darüber beratschlagte, welche Koalition die richtige sei. Offenbar waren sich Partei und Fraktion einig, den Weg einer Koalition des Fortschritts mit der FDP zu beschreiten, aber der Ministerpräsident wollte nicht. Nach elfstündigen Beratungen, in denen mutmaßlich der grüne Fraktionsvorsitzende sowie die beiden grünen Parteivorsitzenden Ministerpräsident Kretschmann vom Wert der Ampel als einer solchen Koalition des Fortschritts zu überzeugen suchten, beugten sie sich schließlich seinem Willen und empfahlen dem Parteivorstand der Grünen am folgenden Morgen eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU. Sehr zum Missfallen eben jenes Vorstands und so kam es, dass die Sitzung unterbrochen und in mühevoller Einzelbeatmung den Vorstandsmitgliedern die Wichtigkeit des Verabschiedens einer Empfehlung zu Gunsten der CDU verdeutlicht wurde. Schließlich war bereits durchgesickert, dass Kretschmann einen Narren an der CDU gefressen hatte und es wäre wohl schwer vermittelbar gewesen, ihn derart das Gesicht verlieren zu lassen, erklärtermaßen gegen seinen Willen für eine Ampel zu stimmen.
Kretschmann hätte im Grunde zurücktreten müssen und der grüne Landesvorstand hätte sich wohl der größten aller Wählertäuschungen schuldig gemacht. „Grün wählen für Kretschmann“ plakatieren und hinterher ohne Kretschmann eine Koalition bilden. Das schien bei einigen zu fruchten und schließlich fand das ungeliebte Bündnis mit der CDU eine Mehrheit im Landesvorstand, es wurde ein abschließendes Sondierungspapier mit der CDU vereinbart und ein Koalitionsvertrag geschmiedet. Ein zu 100 Prozent grüner Koalitionsvertrag, den der Ministerpräsident auf dem grünen Parteitag mit den Worten verteidigte, mit der FDP sei das nicht möglich gewesen. Recht hat er! Unter keinen Umständen wären meine Kollegen und ich vom Verhandlungsteam der FDP dazu bereit gewesen, jede dieser Kröten zu schlucken, die die Grünen der CDU hinhielten. Genau genommen hätten wir bei der Mehrzahl nicht mitgemacht oder nur unter Modifizierung der Wege bis zum gewünschten Ziel. Weniger übergriffig, weniger Zwang, mehr Innovation und Marktwirtschaft. Mit der inneren Sicherheit wurde sogar das letzte Feld auf dem sich die CDU selbstverstandenermaßen zu profilieren gedachte, bereitwillig geräumt und mit der vollständigen Übernahme grüner Positionen des Misstrauens gegenüber unserer Polizei der eigene Anspruch als Partei der inneren Sicherheit vollständig versenkt. Den einflussreichen Polizeigewerkschaftsboss Ralf Kusterer trieb diese Selbstaufgabe zu einer Generalabrechnung mit der CDU, die so heftig ausfiel, dass ich Ihnen wörtliche Zitate an dieser Stelle erspare. Nur so viel: Die Vergleiche hatten mit dem mutmaßlich ältesten Dienstleistungsgewerbe der Welt zu tun und der von ihm geschilderte Preis kann auch einfach mit Münzgeld beglichen werden.
Der Ministerpräsident hatte also den seinen nicht zu viel versprochen und dennoch schien es verwunderlich, weshalb er unbedingt die Fortsetzung von Grün-Schwarz wollte, auf die so große Teile seiner Mannschaft keine Lust mehr hatten. Eine Entscheidung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bietet dieser Tage ein Indiz dafür, was seit Wochen im politischen Berlin gerüchtehalber aus verschiedenen Ecken über die Gänge des Reichstags und der Parteizentralen wandert. Herrn Kretschmann sei für den Fall einer Fortsetzung der Koalition mit der CDU von Kanzlerin Merkel und dem damals als Kanzlerkandidat in der Pole Position liegenden bayerischen Regierungschef Markus Söder das Amt des Bundespräsidenten versprochen worden, heißt es. Beweise gibt es dafür nicht. Es lässt aber die Entscheidung von Frank-Walter Steinmeier, so früh seinen Hut für eine weitere Amtszeit in den Ring zu werfen, in einem neuen Licht erscheinen. Ein möglicher Grund für diese Offensive könnte durchaus sein, dass auch Herr Steinmeier von diesen Gerüchten gehört hat, die im Grunde darauf fußen, dass nach den Wahlen im Herbst die Zusammensetzung der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, eine gänzlich andere sein wird, eventuell mit einer schwarz-grünen Mehrheit, deren absprachegemäßes Wahlverhalten einem wunschkoalitionären Prinzip „ein schwarzer Kanzler, ein grüner Bundespräsident“ folgen möge. Das könnte das unkonventionelle Vorpreschen des auch über Parteigrenzen hinweg beliebten Bundespräsidenten Steinmeier erklären, der es damit einem möglichen Nachfolger schwerer machen will, ihn zu ersetzen.
Die Oppositionsrolle der FDP
Wie dem auch sei. Die völlige Selbstaufgabe der CDU, deren Wahlprogramm durchaus Schnittstellen mit dem der FDP hatte, lässt es umso wichtiger werden, dass die FDP mit einer starken Fraktion im Landtag ein bürgerliches Korrektiv zum grünen Regierungsprogramm darstellt. Wir bieten all jenen, die uns gewählt haben, FDP pur. Als programmatischer Vollsortimenter mit bürgerlichen Werten, freiheitlichen Idealen und dem klaren Blick auf haushalterische wie wirtschaftspolitische Notwendigkeiten, werden wir uns für ökonomische Vernunft und die Abwehr von übergriffigen Maßnahmen zweifelhaften Nutzens einsetzen. Für Digitalisierung, den Erhalt unserer mittelständischen Betriebe auch und gerade im Automobilbau, weltbeste Bildung und eine Energiewende, die auf marktwirtschaftlichen Kriterien fußt und nicht auf engstirniger Verbotspolitik. Wir machen darüber hinaus jenen ein Angebot, die die CDU nicht gewählt haben, um für ihre Stimme notenlose Schulen zu bekommen. Oder 1.000 Windräder im Staatsforst, egal ob dort Wind weht oder nicht. Oder eine Solardachpflicht, unabhängig davon, ob die Immobilie verschattet oder im Hochschwarzwald wochenlang mit Schnee bedeckt ist. Ebenso machen wir jenen ein Angebot, die die CDU nicht gewählt haben, um unseren baden-württembergischen Polizisten mit der Kennzeichnungspflicht ihr Misstrauen auszusprechen. Oder mit einem Antidiskriminierungsgesetz, das es in Berlin bereits gibt und Innenminister Strobl noch vor kurzem dazu veranlasst hat, zu verkünden, er schicke deshalb keine Polizisten mehr nach Berlin. Dieses Angebot gilt all jenen, die wahrgenommen haben, dass die CDU um des Regierens willen all ihre ohnehin nicht allzu üppig ausgeprägten programmatischen Ziele derart verraten hat, dass nur ein einziger Verhandlungserfolg geglückt ist, der im Grunde genommen reine Selbstbedienung darstellt. Die Schaffung eines nutzlosen neuen Ministeriums sowie neuer Staatssekretäre, um die geschrumpfte Mannschaft des Herrn Strobl zumindest so gut mit Pöstchen zu versorgen, dass diese im Gegenzug das grüne Wahlprogramm auf dem CDU-Parteitag durchbringen. Das hat Herr Strobl hingekriegt, trotz der erbärmlichen Bilanz von drei Wahlniederlagen unter seiner Führung sowie des Verfehlens eines eigenen Mandats. Seine eigene Karriere hat er damit um mutmaßlich fünf Jahre verlängern können. Er hat sich damit aber mutmaßlich ebenfalls den Eintrag in den Geschichtsbüchern gesichert, als jener der die CDU im Südwesten als Ministerpräsidenten- und Volkspartei, als Partei der bürgerlichen Mitte endgültig aufgegeben hat. Diesen Platz der bürgerlichen Mitte wird die FDP einnehmen, nun als Fraktion anderthalbmal so groß wie noch zur alten Wahlperiode und mit dem alten wie neuen Kompass, dass wir uns nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen lassen. Besser nicht regieren, als falsch regieren, hat Christian Lindner einmal gesagt. Die FDP hätte sehr gerne regiert. Aber nicht zu Bedingungen, die uns ähnliche Kommentare wie die des Herrn Kusterer eingebracht hätten. Fair muss es sein. Und einer gemeinsamen Erzählung folgen, die allen Partnern gerecht wird. Bei der CDU musste es nur der Erhaltung von Macht, Ämtern und Posten gerecht werden. Vielleicht hat ja das am Ende den Unterschied gemacht. Damit kann ich gut leben.