Newsletter November 2017
Ende der Sondierungsgespräche – Besser nicht regieren als falsch regieren
Intensive Sondierungsgespräche fanden zwischen der CDU, der CSU, den Grünen und den Freien Demokraten in Berlin seit dem Ende der Bundestagswahl statt. In der Nacht zum 20. November verließ die FDP schlussendlich die Gesprächsrunde. Die Sondierungen scheiterten an den inhaltlichen Widersprüchen der Verhandlungspartner. Diese waren vielfältig.
Es zeichnete sich ab, dass selbst die CSU den massenhaften Nachzug von Flüchtlingsfamilien zulassen würde. Die CDU hingegen wollte einer energiepolitischen Deindustralisierung Deutschlands im Sinne der Grünen zustimmen. CDU, CSU und Grüne fanden sich im gemeinsamen Willen, dem Automobil den Garaus zu machen. Eine solche Politik kann die FDP nicht zulassen. Es gilt für uns auch weiter: Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.
Die FDP hat gehalten, was sie vor der Wahl versprochen hat. Sollten die politischen Inhalte nicht umgesetzt werden, können, für die die FDP gewählt wurde, dann gehen wir in die Opposition. Nach mehrwöchigen Gesprächen ist genau das passiert. Ähnlich wie nach den Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg, hat jetzt auch die FDP auf Bundesebene gezeigt, dass sie nicht alle Versprechen und politischen Ziele über Bord wirft, um mitzuregieren. Für diese Glaubwürdigkeit gilt es weiterhin einzustehen. Regierungsbeteiligungen unterschiedlichster Couleur in den Ländern zeigen, dass die FDP durchaus bereit ist, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Liberale Inhalte müssen sich aber in Koalitionsvertrag und Regierungshandeln wiederfinden. Dazu waren die drei anderen Jamaika-Aspiranten auf Bundesebene aber nicht bereit.
Positive Reaktionen auf das Ende von Jamaika
Obwohl kurz nach Abbruch der Sondierungsgespräche negative Stimmen zu hören waren, bot sich einige Tage später in der medialen Berichterstattung im Großen und Ganzen ein differenziertes Bild. Es gab viel FDP-Bashing, aber auch viele mahnende Stimmen, die Schuld am Scheitern der Sondierungen nicht ausschließlich bei den Freien Demokraten zu suchen. Aus der Bevölkerung war der Zuspruch außerordentlich hoch. In den Tagen nach dem Austritt aus den Sondierungsgesprächen erreichten mich zahlreiche Emails, in denen die Entscheidung der Freien Demokraten gelobt wurde. Der FDP-Landesverband hatte zudem zehnmal mehr Ein- als Austritte zu verzeichnen, seit die Sondierungen abgebrochen wurden.
Warum es staatspolitisch verantwortungsvoll war und weiterhin ist, sich nicht auf eine Zusammenarbeit mit Grünen und Schwarzen gleichzeitig einzulassen, präsentierte Finanzministerin Edith Sitzmann anschaulich mit dem vorgestellten Doppelhaushalt der Kiwi-Koalition für 2018/2019 im Stuttgarter Landtag im November.
Grüne Verschwendungssucht
Wie verschwenderisch die Landesregierung und insbesondere die Grünen mit den Geldern des Steuerzahlers umgehen, lässt sich anhand des Haushaltsvolumens und der aufgeführten Posten veranschaulichen. In der Zeit von 2011 bis 2019 wurde der Haushalt zuerst mit der SPD und seit letztem Jahr mit der CDU von rund 35 auf über 50 Milliarden Euro aufgeblasen. Dies entspricht einer Erhöhung um 45,6 Prozent in acht Jahren. Zwischen 1996 und 2011, in der Regierungsverantwortung der FDP, stieg das Haushaltsvolumen von 32 auf gut 35 Milliarden, also lediglich 10,3 Prozent in 15 Jahren. Ministerpräsident Kretschmann hat es also geschafft, eine um das Vierfache höhere Steigerung des Haushaltsvolumens in der Hälfte der Zeit zu erreichen. Obwohl sich die Steuereinnahmen in den letzten Jahren um rund 40 Prozent erhöht haben, sieht die aktuelle Landesregierung von einer großen Schuldentilgung ab. Die veranschlagten 250 Millionen Euro an jährlicher Tilgungsleistung sind ein Tropfen auf den heißen Stein.
Sitzmanns neue Ministerialstellen belasten Haushalt langfristig
Abgesehen von der mehr als notwendigen, aber viel zu gering ausgefallenen Schuldentilgung, die sich in diesen guten wirtschaftlichen Zeiten anbietet, hat die Kiwi-Regierung 2635 neue Stellen in zwei Jahren geplant. Viele davon sind fragwürdig. Die FDP-Fraktion befürwortet sinnvolle Stellen für Lehrer, Polizeibeamte und Stellen in der Justiz. Hunderte unnötige neugeschaffene Stellen in den Ministerien, über 200 Stellen in der Umweltverwaltung und 89 für den Nationalpark lehnen wir jedoch ab. Dass Frau Sitzmann sich noch über Pensionsausgaben von 4,9 Milliarden Euro im Jahr beklagt, ist in diesem Zusammenhang heuchlerisch. Denn die durch die Kiwi-Regierung neu geschaffenen Stellen im Bürokratieapparat bedeuten über Jahre hinweg zusätzliche Ausgaben für Pensionen. Stellen, die bis jetzt keiner vermisst hat.
Kommunen bleiben weiterhin grün-schwarze Stiefkinder
Die finanziellen Zuwendungen für die Kommunen im Land ähneln hingegen einem Trostpflaster. Groß verkündet hatte Sitzmann in Ihrer Rede nämlich, dass die baden-württembergischen Kommunen 136 Millionen Euro zu Sanierungszwecken erhalten werden. Alle drei Spitzenorganisationen der Kommunen (Deutscher Städtetag, Gemeindetag Baden-Württemberg, Städtetag Baden-Württemberg) beklagten danach, dass ihre Interessen „nahezu unberücksichtigt“ blieben. Es wird deutlich, dass die Finanzministerin das Geld an den falschen Stellen investiert, von dringend benötigter Unterstützung vor Ort jedoch absieht und die Sorgen der Gemeinden ignoriert.
Allgemein ist die grün-schwarze Landesregierung, was die Finanzpolitik betrifft, damit beschäftigt falsche Prioritäten zu setzen, unehrlich zu sein, den Haushalt und den Personalkörper aufzublähen und die Schuldentilgung zu versäumen. Die FDP kann einem solchen Haushalt nie und nimmer zustimmen.
Der Ministerpräsident blieb der Landtagsdebatte zum Doppelhaushalt fern. Gleichzeitig weilte er zu den Sondierungsgesprächen in Berlin und sprach über eine mögliche Jamaika-Koalition. Der in Berlin stattfindende Diesel-Gipfel am 28.11.2017 war für ihn aber kein Grund in die Hauptstadt zu reisen. Ein Autogipfel, der eines der umstrittensten Themen behandelt und für das Autoland Baden-Württemberg von großer Wichtigkeit ist, wurde vernachlässigt. Genauso wie Termine im Land, die während der Sondierungsgespräche stattfanden. Parteipolitik ist für Herrn Kretschmann anscheinend wichtiger, als die Verantwortung als Regierungschef Baden-Württembergs bei wichtigen Ereignissen im Lande präsent zu sein.
Pforzheims Schul(d)en
Geradezu gewaltige Zahlen wurden von den beiden zuständigen Dezernentinnen der Stadt Pforzheim in einer gemeinsamen Sitzung des Gemeinsamen Schulbeirats und des Bauausschusses im November präsentiert, die eigens für einen Überblick über die baulichen Zustände der Pforzheimer Schulen einberufen wurde. Dort durften sich einige Pforzheimer Stadträte vorrechnen lassen, wie viel Geld in den nächsten Jahren bereitgestellt werden muss, um die Schulen des Stadtgebiets unterrichtstauglich zu halten. 137 Millionen Euro schwer sind die Veranschlagungen. Wohlgemerkt ohne das wahrlich sanierungsbedürftige Reuchlin-Gymnasium. Hierfür werden noch einmal gut 34 Millionen fällig, rechnet man mit der günstigsten der vorgestellten Varianten. 64 Millionen können bei einer Aufstockung auf sieben Züge fällig werden, die angesichts des Bevölkerungswachstums nicht gänzlich unrealistisch ist. Roundabout 200 Millionen Euro, die auch noch größtenteils innerhalb der nächsten 5-10 Jahre fällig werden. Und das, ohne die Bädermisere dabei zu berücksichtigen, die für mich elementar mit dem Schulwesen verquickt ist. Schließlich sollten allerspätestens mit Beginn des Besuchs einer weiterführenden Schule alle Kinder unfallfrei die ein oder andere Bahn schwimmen können.
Keine sonderlich beruhigende Vorstellung angesichts der Kassenlage der Stadt. Wie gut sich das realisieren lassen wird, dürfen nach aktuellem Stand der Dinge allerdings zu einem Teil die Pforzheimer Bürger mitentscheiden. Im Dezember will OB Boch eine Vorlage in den Gemeinderat einbringen, die den Einbezug der Bürger für die Fortführung des Innenstadtprojekts zur Abstimmung bringt. Ein Antrag den ich mit meiner Fraktion aus FDP und Freien Wählern im Frühjahr gestellt hatte. Aus der CDU wurde bereits Zustimmung signalisiert, der ein oder andere Stadtrat sieht neben meiner Fraktion das Prestigeprojekt mittlerweile auch kritisch. Findet der Antrag eine gemeinderätliche Mehrheit wäre der Weg frei, die Bürger zu befragen, ob der nunmehr letzte im Rennen verbliebene Vorschlag mitsamt des Abrisses des denkmalgeschützten Technischen Rathauses und der Schließung der Schloßbergauffahrt für den Verkehr umgesetzt werden soll oder nicht.
Bei der jüngsten öffentlichen Erörterung der Vor- und Nachteile ergab sich ein eher ablehnendes Bild der Anwesenden zu diesem Großprojekt, insbesondere zum Eingriff in den ohnehin zähfließenden Verkehr innerhalb der Stadt, der sich im Zuge des A 8-Ausbaus noch weiter verschlechtern wird. Sollten die Bürger sich entschließen, das Projekt zu stoppen, so spart die Stadt die immensen Kosten, insbesondere für die Entsorgung des mit hochgradig belastetem, Kriegsschutt verfüllten Bodens. Mit diesem Geld könnten Bäder und Schulen saniert werden. Andernfalls fehlen diese Millionen. Für mich ist der Fall sonnenklar: Ich werde sicherlich nicht riskanten Schönheitsoperationen im Stadtbild den Vorzug vor den Entwicklungsmöglichkeiten der jungen Generation geben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hans-Ulrich Rülke