Newsletter November 2020
Sehr geehrte Bekannte, Freunde und Mitglieder der FDP,
im vergangenen Newsletter habe ich an dieser Stelle die Beschlüsse der Landesregierung zu den Novemberregeln als tragisch falschen Weg bezeichnet. Man muss leider sagen, dass ich damit Recht behielt. Insbesondere zwei große Kritikpunkte sehe ich.
Schwerwiegende Grundrechtseingriffe nur nach Parlamentsbeschluss
Die Parlamentsdebatten im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenzen sind wichtig, allerdings ist es falsch, nur im Anschluss daran eine Information zu erhalten, über die dann diskutiert wird. Das Parlament muss Entscheidungen über derart weitreichende Grundrechtseinschränkungen fällen und darf nicht nur als Statist im Sinne einer Art Gedankenaustausch über die Beschlüsse eines informellen, nicht in der Verfassung vorgesehenen Gremiums fungieren. Dieses informelle Gremium verhält sich überdies wie ein orientalischer Basar und nicht als strategischer Leitliniengeber, der im Anschluss den Parlamenten die Entscheidungen überlässt. Nun wird im Sinne einer kleinen Korrektur zwar über die Verordnungen abgestimmt, das haben wir durchgesetzt. Dafür werden aber Erlasse zu Grundrechtseinschränkungen in Hinterzimmern von Ministerien ersonnen, die wieder am Parlament vorbei gehen. Die vom Souverän gewählte Erste Gewalt muss darüber entscheiden, wie stark Grundrechte in Ausnahmesituationen eingeschränkt werden, nicht die Ministerialbürokratie!
Keine Strategie ersichtlich
Mein zweiter Kritikpunkt betrifft den Weg als solchen, insbesondere mit Kontaktreduzierungen und dem starren Blick auf die Infektionszahlen der Krise zu begegnen. Die Lage ist nach wie vor ernst. Es droht die Überlastung des Gesundheitswesens. Der sogenannte „Wellenbrecher-Lockdown“ erweist sich aber – wie von der FDP vorausgesagt – als Rohrkrepierer, weil die Maßnahmen nicht zielgerichtet sind. Die Landesregierung weicht nicht ab von ihrer Schrotflintenpolitik nach der Methode: Man schießt ins Blaue und hofft damit, irgendwie Infektionsherde zu treffen. Der Virologe Jonas Schmidt-Charasit sagt dazu, dass pauschale Maßnahmen zur Kontaktreduktion nicht angemessen seien und es immer zu fragen sei, wie die Hygienekonzepte Betroffener aussähen und ob Infektionsherde nachgewiesen werden könnten. Das gilt insbesondere für die Lieblingsgegner der Ministerpräsidenten: Gastronomie, Sport und Kultur! Ähnlich sieht es auch Ferdinand Kirchhof von der Warte des Verfassungsrechtlers aus: „Auf keinen Fall dürfen Regeln lediglich ein erzieherisches Ziel verfolgen. Letztlich ist vom Staat zu verlangen, dass er sich auf konkrete Risiken (…) bezieht und nachweist, dass seine Maßnahmen nicht nur am Rande zur Eindämmung beitragen“, sagt Kirchhof. Mein Fazit daraus: Was Grün-Schwarz da beschlossen hat, ist also einmal mehr virologisch fragwürdig und verfassungsrechtlich bedenklich!
Den Sommer vertrödelt
Praktisch jede Pandemie der Geschichte hatte eine zweite Welle. Insofern ist es erstaunlich, dass Ministerpräsident Kretschmann einräumen musste: „Damit haben wir nicht gerechnet, das muss man schon ehrlicherweise sagen.“ Weil im Sommer die Infektionszahlen rückläufig waren, hat diese Landesregierung einen Sommer der Sorglosigkeit verlebt. So ist es versäumt worden, Antigentests für vulnerable Gruppen zu beschaffen und erst jetzt gibt es ein 200-Millionen-Euro-Programm auf Bundesebene. Dasselbe gilt für die Beschaffung von FFP2-Masken, außerdem ist ein großer Rückstau bei Testergebnissen zu verzeichnen. Aus diesem Grund sind nun zu wenig Testkapazitäten für Menschen mit Erkältungssymptomen vorhanden. Die Weiterentwicklung der Apps ist verpasst worden, was beispielsweise die wichtige Erfassung von Clustern beim Infektionsgeschehen behindert.
All die Versäumnisse dieser Landesregierung haben einen Namen, nämlich den des zuständigen Sozialministers Manne Lucha! Wer sieht, was er in dieser Coronakrise alles verpennt hat, der kommt zu einer Wortneuschöpfung: Dem ‚Luchaschlaf‘. Im Vergleich zum Luchaschlaf ist der ‚Dornröschenschlaf‘ ein regelrechter Power-Nap! Die Politik der Regierung ist völlig chaotisch. Hilflos wird der Teillockdown verlängert, erst bis zum 20.Dezember und dann Stückchen für Stückchen weiter. Das ist nicht mehr als eine Jojo-Politik in der Hoffnung auf den Impfstoff.
Bedauerlicherweise gibt die Regierungskoalition in Baden-Württemberg ein jämmerliches Bild ab, so ist der Grünen-Fraktionsvorsitzende Schwarz für ein Feuerwerksverbot zu Silvester, der grüne Ministerpräsident Kretschmann dagegen. Die FDP ist auch gegen ein solches Verbot, weil es unverhältnismäßig ist, es unter freiem Himmel, auf Abstand und mit Maske, gänzlich zu verbieten. Diese ganze Politik ist nicht zu Ende gedacht.
Die ganze Fokussierung auf Weihnachten ist fragwürdig und verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Um noch einmal den Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof zu zitieren: „Lokale zu schließen mit der Begründung, damit lasse sich dann ein schönes Weihnachtsfest feiern, ist nicht zulässig.“ Dennoch einfach so zu verfahren, halte ich für reinen politischen Opportunismus.
Liberale Gegenvorschläge
Wir als FDP/DVP Fraktion haben diesem Opportunismus in einem Antrag Vorschläge mit umfassenden Maßnahmen gegenüber gestellt, die zur Abstimmung eingebracht wurden.
Zu unserem Antrag zählen unter anderem eine Weiterentwicklung der Beurteilung der tatsächlichen epidemiologischen Lage mit Einrichtung eines Ampelsystems unter Berücksichtigung weiterer relevanter Faktoren wie Bettenkapazitäten und Krankheitsverläufen. Ergänzend dazu die Ausweitung der Test- und Schutzkapazitäten im Bereich der Antigen-Schnelltests und mobiler PCR-Schnelltests sowie eine große Investition in FFP2-Schutzmasken – insbesondere für besonders gefährdete Gruppen. Zudem machen wir uns in dem Antrag stark für eine Verbesserung digitaler Möglichkeiten in den Bereichen der staatlichen Pandemiebekämpfung und einen Einsatz für die Weiterentwicklung der Corona-Warn-App. Die FDP/DVP Fraktion fordert außerdem Perspektiven für die besonders betroffenen Betriebe der Gastronomie, der Kultur- und der Veranstaltungsbranche nicht nur durch Verbesserung der Hilfszuweisungen, sondern auch durch Perspektiven für baldigen Wiederbetrieb unter Einhaltung von Hygiene- und Schutzkonzepten. Die derzeitige Entwicklung der Corona-Infektionen zeigt, dass die bisherige Strategie nicht genug bringt, um die Einschränkungen mit all ihren negativen Begleiterscheinungen zu rechtfertigen. Wir setzen dieser Schrotflinten-Methode ein Alternativkonzept entgegen, das zielgerichtet ist und die Schäden begrenzt. Wenn sich die Zahlen so entwickeln, dass es nicht mehr leistbar ist, alles nachzuvollziehen, muss dort angesetzt werden, wo der größte Schaden droht. Eine Überforderung des Gesundheitswesens ist wesentlich schneller erreicht, wenn das Virus in Alten- und Pflegeheimen wütet, als wenn sich hauptsächlich junge Menschen anstecken. In Tübingen wurden einige der Vorschläge der FDP umgesetzt, indem man die Ressourcen auf den Schutz älterer Menschen gelenkt hat und dort funktioniert es verhältnismäßig gut. Unser Gesundheitssystem kommt nämlich besonders dort an Grenzen, wo viele Corona-Infizierte aus vulnerablen Gruppen kommen, die einer intensivmedizinischen Pflege bedürfen.
In Pforzheim ist die Lage besonders angespannt, legt man den Inzidenzwert zu Grunde. Dieser ist seit Wochen hoch. Zunächst wurde eine Hotspot-Strategie angekündigt, die Regionen wie Pforzheim betreffen sollte, die ließ dann aber lange auf sich warten und als sie dann kam, waren wieder andere Ankündigungen und Regeln im Gespräch. Nun gibt es gar einen Pforzheim-Sondererlass, den Oberbürgermeister Peter Boch nicht umsetzen will, weil die Karlsruher Richter rechtliche Bedenken haben. Ein solches Herumgeeiere bringt hauptsächlich Verdruss und verspielt die notwendige Akzeptanz der Bevölkerung für von der Politik vorgegebene Regeln. Kein Mensch blickt mehr durch, was denn nun eigentlich gilt. Das ist kontraproduktiv!
Haushalt
Sehr produktiv waren dafür die Pforzheimer Haushaltberatungen, die hauptsächlich digital und mit im Vorhinein eingereichten Anträgen vonstatten gingen. Anstatt wie ansonsten üblich zweieinhalb bis drei Tage wurde dieses Mal ein Tag und zwei Stunden digital beraten und in einer dreiviertel Stunde regulären Hauptausschusses strittige Punkte abgearbeitet. Herausgekommen ist ein Jahresetat von gut 600 Millionen Euro, der noch vor Jahresfrist im Gemeinderat für das Jahr 2021 final verabschiedet werden soll. Ich habe mir mit meinen neun Fraktionskollegen von FDP, Freien Wählern, Unabhängigen Bürgern und Liste Eltern einige Gedanken darüber gemacht und wir haben insgesamt sieben Änderungsanträge zum Haushalt eingebracht. In meiner Haushaltsrede habe ich angekündigt, unsere Zustimmung zum Haushalt nicht davon abhängig zu machen, ob einzelne dieser Punkte oder gar allebeschlossen werden. Uns ist nämlich bewusst, dass uns als stärkster Fraktion im Pforzheimer Gemeinderat auch die stärkste Verantwortung obliegt. Deshalb werden wir wohl dem Haushalt absehbar unsere Zustimmung erteilen, sofern keine gravierenden Dinge mehr verändert werden. Wir sehen es als unsere Pflicht, die Stadt in solch schwierigen Zeiten handlungsfähig zu halten. Bei den vergangenen Haushaltberatungen der letzten mehr als zehn Jahre waren wir nicht stärkste Kraft. Es wurden gegen unseren Willen teure Prestigeprojekte durchgedrückt, dafür unverschämte Kürzungen im Sport-, Kultur- und Ehrenamtsbereich gemacht. Nicht so dieses Mal. Der erste Haushalt des neugewählten Gemeinderats mit uns als stärkster Fraktion wird auch der seit langem erste Haushalt werden, der aller Voraussicht nach im ersten Anlauf beschlossen wird. Das zeigt, dass die Wählerschaft sich richtig entschieden hat, die vier Listen unserer Fraktion zu stärken und wir das Vertrauen in eine solide Politik der Mitte zurückzahlen. Den Kampf gegen das unsinnige Prestigeprojekt Innenstadt-Ost haben wir verloren. Den Kampf für die Bäder als eines unserer zentralsten Wahlversprechen haben wir gewonnen. Die Gelder hierfür sind gesichert, die Handlungsfähigkeit der Stadt aller Voraussicht nach auch. So wollen wir weiter arbeiten.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Ulrich Rülke