Newsletter Oktober 2017
„Bernd“
Ich freue mich sehr, dass meine Landtagsrede vom 11.10.2017 mehrere Millionen Mal aufgerufen wurde und sich derart großer Beliebtheit erfreut. Über diese Rede wurde nicht nur kommunal und landesweit, sondern auch im Osten, Westen und Norden unserer Republik berichtet. Aber wie kam es dazu?
Der Titel der Aktuellen Debatte lautete auf Antrag der AfD-Fraktion „Gefahr für die Demokratie durch zunehmende Missachtung der demokratischen Spielregeln durch gewählte Volksvertreter“. Das legte eigentlich nahe, dass es sich um ein AfD-Selbstgespräch handeln müsse. Wieder einmal wurde die Selbstinszenierung als Opfer als einziges Politikangebot der AfD an die Bürger präsentiert. Der inhaltlich arme Beitrag des Fraktionsvorsitzenden Jörg Meuthen drehte sich ausschließlich um ein einziges Zitat des Ministerpräsidenten, in dem er einen Teil der AfD-Wähler als „Bodensatz“ bezeichnet hatte. Das war in besonderem Maße grotesk, hatte nicht zuletzt Meuthen mit Aussagen zum „grün-rot versifften Deutschland“ nicht nur einen Teil der Wähler, sondern gleich das ganze Land beleidigt.
Es ist demokratischer Usus, sich in einer Aktuellen Debatte im Landtag zum gewählten Thema der Fraktion zu äußern, die diese beantragt hat. Wenn dann skurrilerweise eine Fraktion die Missachtung demokratischer Spielregeln in einer solchen Debatte beklagt, die diese Spielregeln selbst ablehnt, ist es Aufgabe eines funktionierenden Parlaments, dies entsprechend zu thematisieren. Scheinbar hat die Art und Weise, wie dieses Paradoxon in der parlamentarischen Auseinandersetzung von mir herausgearbeitet wurde, das Bedürfnis vieler, vieler Bürger weit über die Landes- oder Parteigrenzen hinaus getroffen. Beispielhaft zwei der vielen Nachrichten, die mich erreicht haben:
„Also ich habe jetzt tagelang die Rede mir mehrmals angeschaut. Chapeau, Chapeau! Wenn Sie mal zufällig in Magdeburg sind, gebe ich Ihnen einen Kaffee aus! Frei nach dem Motto: in den Farben getrennt, in der Sache vereint!“
„Guten Morgen Herr Rülke, ich bin wirklich kein Fan ihrer FDP, sondern langjähriges Mitglied der Linken, aber ich habe eben ihre Rede zu der AfD gesehen und muss sagen, sie hat mir meinen Morgen wirklich verschönert. Danke für diese starken Worte.“
Es scheint weithin eine große Sehnsucht hinsichtlich der Beantwortung der Frage zu herrschen, wie mit der AfD umgegangen werden soll. Augenscheinlich war der Sound der Rede genau der richtige. Es wurde ja allerhand probiert. Man hat versucht sie auszugrenzen, zu ignorieren oder plakativ durchweg als Rechtsradikale zu bezeichnen. Alles mit mäßigem Erfolg. Das Bedürfnis nach demokratischer Auseinandersetzung mit ihren Positionen ist groß, auch, weil eben die meisten ihrer Wähler keine Rechtsradikalen sind, sondern schlicht unzufrieden mit der etablierten Politik, allem voran mit der Politik der Kanzlerin. Linke und rechte Randpositionen zu dem zu machen, was sie sein sollten – nämlich Randerscheinungen – gelingt nur, wenn man sich ihnen stellt, sie demaskiert, sich mit ihnen auseinandersetzt. Für die AfD bedeutet das, sich im Plenum, der Herzkammer der Demokratie, mit der Art und Weise, wie sie Politik betreiben, auseinander zu setzen. Inhaltlich gelingt das nicht, denn dafür fehlt ihnen der Inhalt. Wohl aber muss man thematisieren, nach welchen Schemata von den Populisten Politik betrieben wird. In der konstituierenden Sitzung des Bundestages am 24. Oktober, dem nun endlich wieder Liberale angehören, hat es eine halbe Stunde gedauert, bis der erste Nazi-Vergleich gefallen ist. Durch einen AfD-Sprecher. Dort wiederholt sich nun das unwürdige Schauspiel aus den Landesparlamenten, in denen die Gauland- und Höcke-Vertreter sitzen. Beklagt wurde im Übrigen mit diesem Nazi-Vergleich eine Geschäftsordnungsänderung aus der vergangenen Legislaturperiode, die verhindert hat, einem AfD-Abgeordneten das erste Wort der neuen Legislatur zu überlassen. Dem Betreiben von polemischen Überdrehungen in Wort und Schrift folgt just das Bejammern dazu geäußerter Kritik und die Einigelung in der plakativ zur Schau getragenen Opferrolle. Das ist das Narrativ, das die Alternativen für Deutschland kontinuierlich fortschreiben und dieses gilt es zu sezieren. Und es ist nicht nur ihr Narrativ, es ist ihr einziger Inhalt. In derselben konstituierenden Sitzung gab es ein ganz wunderbares Beispiel dafür.
Die Weigerung der anderen Parteien, Albrecht Glaser, einem islamophoben AfD-Funktionär, der das grundgesetzliche Recht auf Religionsfreiheit für viele deutsche Staatsbürger infrage stellt, zum Bundestagsvizepräsidenten zu wählen, folgte lautes Katzengejammer der AfD. „Wir armen Opfer der undemokratischen Kartellparteien.“ Ein Bundestagsvizepräsident steht der AfD-Fraktion zu, das ist richtig. Es gibt aber keinen Zwang, der den anderen Abgeordneten vorschreiben würde, jemanden zum Bundestagsvizepräsidenten zu wählen, der das Grundgesetz nicht achtet. Auf der anderen Seite wurde Herr Schäuble von der AfD nicht zum Bundestagspräsidenten gewählt, weil ihnen seine Eurorettungspolitik als Finanzminister nicht passte. Schon eigenartig, die Nichtwahl des eigenen Kandidaten zu bewimmern, weil dieser aufgrund einer nicht verfassungsgemäßen Haltung abgelehnt wird, dann aber selbst dasselbe „Unrecht“ zu betreiben, das man den anderen vorwirft und als Begründung dafür eine politische Entscheidung anführen. Die CDU hat im Übrigen das gleiche Recht auf die Stellung des Bundestagspräsidenten, wie die AfD es hat, einen Vizepräsidenten zu stellen. Derlei Dinge gilt es glasklar und schlüssig zu benennen. Dann ist man dem Fernhalten von waschechten Nazis, wie sie die AfD zuhauf in ihren Reihen hat, aus deutschen Parlamentsgebäuden einen Schritt näher. Das ist allerdings nur ein Schritt. Der wichtigere Schritt besteht darin, glaubwürdige Politik zu machen. Politik, die sich an so grundlegende Dinge hält, wie nach der Wahl das zu vertreten, was man davor versprochen hat. Der Nichteintritt der FDP in eine Ampel-Koalition in Baden-Württemberg im Jahr 2016 war so ein Schritt. Ich hatte versprochen, nur in eine Regierung einzutreten, wenn mir die Umsetzung liberaler Inhalte gelingt. Das wurde mir vom Ministerpräsidenten nicht zugebilligt, also gab es kein Ministeramt für mich, sondern Opposition. Versprechen gehalten. Das gilt es nun auch in den Sondierungen und Verhandlungen um eine Jamaika-Koalition umzusetzen. Eine Regierungsbeteiligung kann es nur geben, wenn zentrale Inhalte der FDP auch umgesetzt werden. Einen ähnlich schlechten Koalitionsvertrag wie 2009 darf es nämlich nicht noch einmal geben. Das weiß auch Christian Lindner und der Rest unseres Teams in Berlin, zu denen ich vollstes Vertrauen habe. Inwieweit insbesondere die Grünen einer sinnvollen Neuordnung der Zuwanderungspolitik und der längst überfälligen Abschaffung des Solidaritätszuschlags im Weg stehen, werden die kommenden Wochen zeigen.
Strobls verfehlter großer Sprung nach vorn – Vom Tiger zum Topflappen
Was passieren kann, wenn man in einer Regierung schlechte Arbeit leistet, hat jüngst erst Thomas Strobl erlebt. Sein Wahlkreis Heilbronn hat bei der Bundestagswahl trotz Lidl-Millionen und Vollbeschäftigung die braune Laterne übernommen. Landesweit das höchste AfD-Ergebnis.
Mit der Meldung zu Beginn des Monats, die CDU habe sich mit den Grünen darauf verständigt, keine Berufung gegen das Stuttgarter Luftreinhaltungsurteil einzulegen, sondern es bei einer Sprungrevision zu belassen, wurde Strobls Reputation endgültig zerstört. Ein Minister, der explizit verspricht, es werde eine Berufung geben und dann erleben muss, dass sein Wort und Wille als stellvertretender Ministerpräsident in der Regierungskoalition weder Bedeutung noch Einfluss besitzen, ist endgültig und unwiderruflich brüskiert.
Indem Strobls Fraktion der von den Grünen bevorzugten Sprungrevision zustimmte, akzeptierte die CDU nicht nur die von Minister Hermann geschätzte Fahrverbotspolitik, sondern unterstützt auch den Wunsch der Grünen, eine Blaue Plakette einzuführen. Zum Nachteil von Millionen von Diesel-Fahrern. Aber nicht nur der Innenminister hat sich in diesem Monat bis auf die Knochen blamiert, auch sein Ministerkollege von den Grünen, Verkehrsminister Hermann, schaffte es, sich in aller Öffentlichkeit bloßstellen zu lassen. Von seinem Parteikollegen, dem Ministerpräsidenten Kretschmann höchstselbst, der nach vielen Eklats des Verkehrsministers völlig entnervt die Handbremse zog und die schon auf den Weg gebrachten Schilder für das von Hermann angekündigte Tempolimit wieder einkassierte. Der seit Wochen vertagte Streit über die Frage des Tempolimits auf der A 81 ist nurmehr eine jämmerliche Posse. Offenbar sind Grüne und CDU nicht mal unter Einbeziehung von Experten in der Lage, hier eine Lösung zu finden. Der ideologisch festgemauerte Kurs des grünen Verkehrsministers Winfried Hermann, der seine Feindschaft zum Auto von Herzen pflegt, blockiert jede vernünftige Entscheidung. Wer eine komplette Landesregierung lähmt, ist ganz eindeutig zu viel an Bord. Winfried Hermann sollte zurücktreten.
Trag(-luft)fähige Lösungen für Pforzheim
Wo es im Moment besser läuft als in der Landesregierung ,ist im Pforzheimer Rathaus. Im letzten Newsletter hatte ich es noch beschrieben: Traglufthallen wären eine Möglichkeit, die drohende winterliche Wasserknappheit für die Pforzheimer Schüler und Schwimmer zu umschiffen. Und siehe da, die Gazetten titelten zwei Wochen später, der zuständige Dezernent Dirk Büscher habe sich informiert, wie das zu bewerkstelligen sei. Schön zu sehen, dass so manch alter Antrag der FDP/FW-Fraktion – in der Vergangenheit von Rathausspitze und Ratsmehrheit verschmäht – nun scheinbar wieder aus der Schublade geholt wird. Eine massive Kostenreduzierung der Traglufthallen, die nun vielleicht die Becken von Wartberg- und Nagoldbad schmücken werden, ist wohl ein treibender Faktor für die forcierte Prüfung. Zumindest sind die kolportierten Zahlen nur ein Bruchteil dessen, was es vor zwei Jahren noch hieß. Gut möglich, dass die ein oder andere Traglufthalle frei geworden ist, nachdem der Flüchtlingsstrom seit geraumer Zeit abgeebbt ist. Gut möglich aber auch, dass ein anderer Faktor für den bemerkenswerten Unterschied der Zahlen aus 2015 und den jetzt kolportierten Summen verantwortlich zeichnet.
Im politischen Raum gibt es eine beherzte Neigung, Zahlen für Projekte, die man gerne hätte, besonders niedrig anzusetzen, um den Mandatsträgern die gewünschte Entscheidung leichter zu machen. Die Elbphilharmonie ist so ein Beispiel, wenngleich ein zugegebenermaßen besonders krasses. Anfangs wurde mit 77 Millionen Euro aus den Steuertöpfen kalkuliert, zum Schluss waren es sagenhafte 789 Millionen. Solch einem Preis wäre mit Sicherheit niemals zugestimmt worden. Im Kleinen gibt es derlei in Pforzheim öfters. Da kann auch mal eine Kita 70 % teurer werden, weil dummerweise beim Planen vergessen wurde, dass Treppen ja auch Geländer brauchen. Die Logik ist immer dieselbe: „Da ist etwas schief gelaufen, aus diesen und jenen Gründen, angefangen haben wir aber schon, also erteilt gefälligst im Nachhinein euren Segen für die Kostensteigerung, ihr lieben Gemeinderäte. Das geht jetzt nicht anders.“ Aber sicher geht es anders! Ich kann als gewählter Repräsentant der Bürger dieser Stadt eben auch mit nein stimmen. Erst jüngst gab es eine Ausschusssitzung in der genau diese Taktik wieder probiert wurde. Eine enorme Kostensteigerung zulasten der Bürger sollte mit Verweis der Verwaltung auf die vermeintlich unverrückbare Dringlichkeit sofort beschlossen werden. Ich bin für solche Sachen nicht zu haben und glücklicherweise – zumindest hin und wieder – auch Teile der anderen Ratsfraktionen nicht. Ergebnis: Beschlussfassung vertagt, Dringlichkeit doch nicht so unverrückbar. Solche Marotten können aber auch gegenteilig zum Zuge kommen, etwa indem Projekte missliebiger politischer Konkurrenten, die gerne andere Prioritäten als Ratsmehrheit oder Verwaltungsspitze verwirklichen würden, mit dem Siegel „zu teuer“ belegt werden. Zu welchen Teilen sich besagte Preisdifferenz der Traglufthallen binnen zweier Jahre wie zusammensetzt überlasse ich gerne Ihrer Phantasie. Einen Einblick in den nicht unüblichen Usus der Verwaltung hinsichtlich der Flexibilität so mancher Angaben will ich Ihnen dennoch nicht verwehren. Dass nun scheinbar fleißig an der Umsetzung einer tragluftfähigen Strategie gearbeitet wird, die die Vorschläge meiner Fraktion aufgreift, werte ich zunächst einmal als Erfolg. Als Erfolg für die Pforzheimer Bürger, so sich denn das Cabriodach zum winterfesten Badevergnügen schließen sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hans-Ulrich Rülke