Newsletter Oktober 2020
Sehr geehrte Bekannte, Freunde und Mitglieder der FDP,
im Herbst hat sich – wie es im Prinzip zu erwarten war – das Infektionsgeschehen mit dem SARS-CoV-2-Virus wieder verstärkt und wir verzeichnen leider wieder viele neue Fälle. Seit den Beschränkungen im März waren acht Monate Zeit und die Forschung, die Medizin und die Gesellschaft haben Fortschritte im Umgang mit dem Virus gemacht. In diesen acht Monaten wurde aber ganz offensichtlich versäumt, nachhaltige Strategien im Umgang mit dem Virus zu finden, die ohne Strangulierungen von Wirtschaft, Freiheitsrechten und Sozialem Wohlbefinden auskommen. Die verkündeten neuen massiven Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Infektionen für November halte ich für einen tragisch falschen Weg und warne vor möglichen schwerwiegenden Folgen derselben.
Die durch die Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen Einschränkungen insbesondere im Amateursport, im Hotel- und Gaststättengewerbe und in der Kultur zeigen deutlich, dass die Regierungschefs aus dem bisherigen Verlauf der Krise nichts gelernt haben. Die Maßnahmen verweigern nämlich schlicht die Erkenntnisse, wo und bei welchen Anlässen große Infektionen zu verzeichnen sind. Die Einschränkungen treffen die Falschen. Im Hotel- und Gaststättengewerbe sind Hygiene-, Abstands- und Nachverfolgungsregeln eingeführt und können überwacht werden. Hier wird eine Branche zum Sündenbock gemacht, weil dies so bequem ist. Gleiches gilt für Konzert- und Veranstaltungsbesuche. Eigentliche Infektionsherde wie große Treffen in Familien und Cliquen können zwar verboten, aber nur schwer oder gar nicht überwacht werden. Die Ergebnisse der vor kurzem eingeführten Einschränkungen werden nicht abgewartet und damit besteht die massive Gefahr einer kompletten Fehlplanung.
Die Einschränkungen und Verbote im Amateursport sind unverständlich und schädlich. Dies ist nachweislich kein Infektionsschwerpunkt, hier sind funktionierende Hygienekonzepte vorhanden. Wer die Menschen jetzt in der körperlichen Bewegung einschränkt, nimmt nicht begründbare schädliche Konsequenzen in Kauf.
Ebenso gilt es vor den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen zu warnen. Die Akzeptanz dieser Maßnahmen in der Bevölkerung spielt eine zentrale Rolle, ich sehe sie jedoch massiv schwinden. Zugleich gibt es zu erwartende katastrophale Folgen für Wirtschaft und Wohlstand. Die desaströse Situation für das Hotel- und Gaststättengewerbe, für den Einzelhandel und viele andere Wirtschaftsbereiche wird der Staat nicht auffangen können. Es ist zynisch, jetzt diesen Eindruck von Seiten der Regierungen zu erwecken. Gleichzeitig ist eine Klagewelle zu erwarten, die bisher fast immer dazu geführt hat, dass Maßnahmen wieder korrigiert werden mussten. Einschränkungen von Grundrechten ins Blaue hinein und ohne nachvollziehbare Begründung werden von Gerichten sehr wahrscheinlich aufgehoben. Vom Gesamtpaket bleibt dann nur ein in sich widersprüchliches Stückwerk. Ein blamables Bild für die staatliche Autorität ist zu befürchten.
Die Strategie der Regierungen setzt nach wie vor falsche Prioritäten. Einzige Grundlage von schützenden Maßnahmen dürfen nicht die Infektionszahlen sein. Die Anzahl der schweren Verläufe, die Gründe dafür und die Versorgung Schwersterkrankter müssen eine wesentlich stärkere Rolle spielen. Insbesondere besonders schutzbedürftige Gruppen müssen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der Maßnahmen.
Ich sehe nicht, dass die weiteren Folgen des nun beschlossenen Lockdowns in der Abwägung ausreichend berücksichtigt wurden, wenn Menschen beispielsweise jetzt um ihre Existenz ringen, das Vertrauen in staatliche Behörden verlieren oder vereinsamen.
Am vergangenen Freitag haben wir gefordert, über die geplanten Schritte im Landtag abzustimmen. Es kann nicht sein, dass solche massiven Entscheidungen mit zu erwartenden schwerwiegenden Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft auf dem Verordnungswege und durch Kabinettsbeschlüsse der Regierung alleine eingeleitet werden. Doch Grüne, CDU und SPD haben am Freitag dafür gestimmt, dem Hotel-, Gaststätten- und Kulturgewerbe einen Monat lang das Licht auszuknipsen.
Von der „Jojostrategie“ zur „Protektionsstrategie“
Wir haben einen Antrag mit Vorschlägen eingebracht, um zielgerichtet die Pandemie zu bekämpfen, anstatt mit der Schrotflinte freiheitsbeschränkende Maßnahmen zu verfügen. Kein einziger Abgeordneter aus diesen drei Fraktionen hat unser vorgeschlagenes Maßnahmenbündel mitgetragen, das vielen Betrieben ein weiteres Auskommen im November gesichert hätte. Dieser Lockdown ist falsch und er ist vor allem in keinster Weise nachhaltig. Wir brauchen einen Wechsel von der „Jojostrategie“ zur „Protektionsstrategie“ und fordern deshalb den dringend notwendigen Strategiewechsel bei Bekämpfung der Corona-Infektionen. Die Landesregierung geht in der Pandemie und bei der aktuellen Coronaverordnung falsch vor. Ministerpräsident Kretschmann verfolgt eine „Jojostrategie“: Shutdown-Öffnung-Shutdown-Öffnung. Und so geht es weiter, wenn das Vorgehen nicht geändert wird. Die Strategie der Regierung zeigt keine Perspektive auf. Zudem hat sie teilweise erhebliche Lücken und Widersprüche. Es ist daher gut und notwendig, darüber im Parlament zu sprechen und abzustimmen. Angesichts der zunehmenden Skepsis der Bevölkerung darf nicht das Gefühl bei den Menschen entstehen, die Verordnungen und Maßnahmen seien lediglich in den Büros der Ministerien und im Staatsministerium selbst ausgemacht worden. Wir stellen ausdrücklich nicht in Frage, dass gehandelt werden muss, um die Folgen der Pandemie in den Griff zu bekommen! Allerdings verlangt dies eine andere Beurteilung der Frage, ob eine Gesundheitsnotlage droht. Die FDP fordert deshalb die Einführung eines Ampelsystems, das die Zahl der Tests insgesamt, aber auch den Anteil der positiv Getesteten, der tatsächlich Erkrankten und der noch freien Behandlungskapazitäten der Kliniken mit einbezieht.
Diese Forderung ist Teil eines Antrags, den wir als FDP/DVP Fraktion anlässlich der Debatte zur Abstimmung gestellt haben. Im Weiteren fordern wir darin eine massive Beschaffung von FFP2-Masken und eine Weiterentwicklung der Teststrategie mit ausreichend Schnelltests für Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen. Dies und die Weiterentwicklung der Corona-Warn-App als stärkeres Instrument zur Kontaktnachverfolgung sind zentrale Maßnahmen einer ausgebauten Schutzstrategie. Wir müssen den Fokus endlich auf den Schutz von gefährdeten Bevölkerungsgruppen richten! Die Beteuerungen der Landesregierung, dass dies momentan mit der Strategie der Eindämmung mitlaufe, sind auf Dauer zu wenig.
Zudem sind im Bildungsbereich die Versäumnisse der Regierung weiterhin eklatant. Der Ministerpräsident gab zu, dass die Entscheidung, die Schulen weiter geöffnet zu halten, politisch und nicht aufgrund der Epidemielage zustande gekommen ist. Das glaube ich ihm. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass dabei auch das politische Versagen dieser Regierung eine Rolle spielt, wenn es darum geht, dass die Schulen ausreichend unterstützt und begleitet werden und somit die Möglichkeiten oft einfach nicht ausreichen. Die FDP/DVP Fraktion fordert schon länger einen massiven Ausbau der Digitalisierung an den Schulen, damit digitaler Unterricht in voller und Hybridform jederzeit möglich ist. Auch die Gewinnungsmöglichkeiten zusätzlicher Unterrichtsräume für den Schulbetrieb und zusätzliche Mittel für Luftfilteranlagen sind Forderungen meiner Fraktion in diesem Bereich. Wir fordern in unserem Antrag die Landesregierung außerdem auf, eine Bildungs- und Betreuungsgarantie abzugeben, die sicherstellen soll, dass es auch bei steigenden Infektionszahlen eine Schließung von Schul- und Betreuungseinrichtungen nicht mehr geben wird.
Außerdem fordern wir eine Reihe flexibler Ausnahmegenehmigungen für derzeit betroffene Bereiche. So sind die Beherbergungsverbote für touristische Reisende sowie die Schließungsanordnung für die Gastronomie aufzuheben. Die derzeitigen Hygienevorschriften und Registrierungen bieten ein hohes Maß an Sicherheit. Man hat den Hotel- und Gastronomiebereich als leichtes Ziel entdeckt und macht es sich mit diesen Einschränkungen zu einfach. Es ist außerdem notwendig, für den Kunst- und Kulturbereich Ausnahmen der Schließungen zuzulassen, wenn Infektionsschutzkonzepte und Regelungen zu Kontaktreduktionen ausreichend sind. Gleiches gilt für den Probenbetrieb in Amateurgruppen der Breitenkultur und für differenzierte Konzepte beim Freizeit- und Amateursport, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Es ist doch pädagogisch nicht vermittelbar, warum die Kinder stundenlang mit anderen in Klassenzimmern sitzen müssen, aber Proben und Sportgruppen danach nicht stattfinden dürfen.
„Vom Verbot zum Gebot, vom Aktionismus zur Strategie und von der Eindämmung zum wirksamen Schutz“ – so sieht unser Vorschlag für einen Strategiewechsel angesichts der Infektionsentwicklung aus. Wir werden auch weiterhin Alternativmöglichkeiten aufzeigen und im Parlament dafür zu werben.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Hans-Ulrich Rülke
Veranstaltungshinweis:
Beigefügt eine Einladung zu einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung am heutigen Tage. Gemeinsam mit Matthias Müller, ehemals Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns, dem ehemaligen Motorsportchef von Mercedes-Benz Norbert Haug sowie der Leiterin des Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart und Lampoldshausen Dr. Anke Kovar werde ich über die Zukunft der Mobilität diskutieren. Zu sehen auch bei youtube unter
https://www.youtube.com/watch?v=hkhWyFT3H4o&fbclid=IwAR1YYTNO6cLB3xU1Fp1p20mVVn2jjBJJR8cBFuCu0zKWs57ineEQd-rOiLg , wo das Gespräch mit der Moderatorin Julia Falk, Redakteurin bei der Pforzheimer Zeitung auch dauerhaft abrufbar sein wird.