Newsletter September 2020
Sehr geehrte Bekannte, Freunde und Mitglieder der FDP,
die Corona-Pandemie hat Anfang des Jahres für eine sehr unübersichtliche Lage gesorgt. Die Bilder der Särge aus Bergamo und die unklare Faktenlage rund um das neue Virus haben dazu geführt, dass die FDP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg alle Maßnahmen mitgetragen hat, den Lockdown und die Neuverschuldung betreffend. Fünf Milliarden Euro haben wir im März als notwendig erkannt und mitbeschlossen. Nun aber versucht die grün-schwarze Landesregierung einen neuen Schuldenrekord im Nachtrag des Landeshaushalts mit der Corona-Lage zu erklären und die Rekordverschuldung so zu verkaufen, als sei das alles dem Virus geschuldet. Da machen wir nicht mit, denn ich halte es für in höchstem Maße unfair, die Wünsche der Ministerien zu allerhand Projekten den kommenden Generationen mit der irreführenden Begründung aufs Auge zu drücken, das sei wegen Corona nötig. Denn das stimmt schlicht nicht. Das heißt nicht grundsätzlich, dass es keine neuen Schulden in der Krise gebe darf, aber diese müssen an der Corona-Situation ausgerichtet sein. Außerdem muss man auch dann – und gerade dann – sehen, wo man einsparen kann.
Erst 1,4 von 4,2 Milliarden der Corona-Hilfsgelder sind abgerufen und außerdem stehen gewaltige Rücklagen in den Haushalten bereit. Die Stuttgarter Nachrichten titelten am 23. September: „Die Corona-Töpfe des Landes sind noch gut gefüllt.“ Corona dient als Alibi für die größte Schuldenorgie aller Zeiten und der eigentliche Grund ist die Landtagswahl, so mein Vorwurf. Grün-Schwarz will sich den Wahlsieg kaufen und die kommenden Generationen sollen diese Orgie finanzieren.
Das Land hat noch 800 Millionen Euro aus der Kreditaufnahme vom 19. März und eine Haushaltsrücklage für Risiken in ähnlicher Höhe. Zudem sind Bundeszuschüsse zu erwarten und es bestehen nicht getätigte Ausgaben im Haushaltsvollzug, in Summe also über 2 Milliarden Euro Handlungsspielraum, plus Verbesserungen im Bereich des Länderfinanzausgleichs von 3 Milliarden Euro im Jahr 2020. In einer solchen Situation präsentieren sie diese Neuverschuldung historischen Ausmaßes. Dabei hat der Landtag gerade erst die Schuldenbremse in die Landesverfassung implementiert. Wann, wenn nicht bei einer historischen Neuverschuldung von mehr als 30 Prozent, soll sie gelten?
Da werden tolle Dinge mit diesen Schulden finanziert, zum Beispiel „Transformation, Klimaschutz und Mobilität“ oder „Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.“ Was das aber mit einer Naturkatastrophe zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Gleichzeitig verkündet Gesundheitsminister Lucha aber, man könne im Zusammenhang mit Corona nun Intensivbetten abbauen. Was Grün-Schwarz da vor hat, passt doch hinten und vorne nicht zusammen!
Als Beispiel für den eigentlichen Charakter der Regierungsvorhaben kann ich sagen, dass zu hören gewesen ist, jede Regierungsfraktion dürfe 600 Millionen verteilen. So halt. Das ist ein orientalischer Basar; das ist Wahlkampf pur. Über Jahre hat Grün-Schwarz die Aufblähung ihrer Haushalte damit begründet, dass sie es wegen der hohen Steuereinnahmen können. Nun können sie es nicht mehr, da machen sie einfach gewaltige Schulden! Im Badischen Tagblatt vom 23. September steht: „Grün-Schwarz wird als die Landesregierung in die Geschichte eingehen, die die meisten Schulden gemacht hat.“
Was später geschieht, ist dabei absolut klar: Steuererhöhungen! Ministerpräsident Kretschmann hat dazu gesagt: „Wir werden die Schulden innerhalb von 30 Jahren zurückzahlen.“ Ich meine: „Herr Ministerpräsident, wollen Sie bis dahin im Amt bleiben?
Es ist offenkundig was hier gespielt wird: Man macht jetzt Schulden und die Zeche muss dann die nächste Generation zahlen. Beim Blick auf die Regierungsbank drängt sich ein Satz des Dramatikers und Satirikers George Bernard Shaw auf: „Nehmt Euch in Acht vor alten Männern. Denn ihnen ist die Zukunft ganz egal!“
Ich kann hier nur die Mahnung der Rechnungshöfe von Bund und Ländern bei ihrer diesjährigen Herbsttagung in Hildesheim in Erinnerung rufen, die explizit vor einer unzulässigen Inanspruchnahme der Ausnahmen von der Schuldenbremse und vor einem Umgehen des Verschuldungsverbots gewarnt haben. Flankiert sehe ich das von einem Gutachten der Universität Saarbrücken für den Bund der Steuerzahler, in dem klar festgestellt worden ist, dass Schulden, die mit einer Naturkatastrophe begründet werden, auch tatsächlich zur Bekämpfung der Notlage verwendet werden müssen. Deswegen sage ich: Was Grün-Schwarz hier mit dem Landeshaushalt vorhat, schreit geradezu nach einer gerichtlichen Überprüfung!
Masken
Noch ein Wort zu den Corona-Maßnahmen und der Debatte, die in den letzten Tagen aufgrund einer verkürzt dargestellten Äußerung von mir entfacht wurde. Mir wurde im Prinzip unterstellt, ich sei ein unbelehrbarer Maskengegner, der sich in für einen Spitzenpolitiker unverantwortlich verharmlosender Art und Weise äußere. Ich kann Ihnen sagen, das stimmt so nicht. In der Tat halte ich nicht viel von dem, was so gerne als Alltagsmaske bezeichnet wird und oftmals aus grobmaschigen Selbstbauten besteht, die Aeorosole nicht aufhalten, die hauptursächlich Virenträger sind. Das geflügelte Wort des Ministerpräsidenten ‚An Schal dut’s au‘ halte ich für grundfalsch. Sogenannte FFP2-Masken verfügen über eine partikelfilternde Wirkung und halten auch Viren in Schach. Die Schutzwirkung dieser habe ich ausdrücklich erwähnt. Ich bin der Überzeugung, dass es bei der Bekämpfung des Corona-Virus hauptsächlich darum gehen muss, vulnerable Risikogruppen zu schützen und unser Gesundheitssystem nicht an die Grenzen seiner Belastbarkeit zu bringen. Dafür bedarf es guter Konzepte, die auf lokaler Ebene umzusetzen sind und keiner effekthaschenden Schwarz-Weiß-Malerei. Die Empörungskultur auf vielen Seiten stört mich bei diesem Thema nachhaltig. Auf der einen Seite werden viele, die sich ernsthafte Sorgen machen belächelt und verächtlich gemacht. Auf der anderen Seite werden Äußerungen derer, die die medizinische Gefahr dieses Virus in Relation zu anderen Gefahren setzen und dabei eine Bewertung vornehmen, die nicht den Schemata derjenigen entspricht, die es für sehr gefährlich halten, in eine Ecke mit Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern und anderen obskuren Gestalten gestellt. Das ist beides falsch und wenig hilfreich.
Dieses Virus wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch dann nicht verschwinden, wenn es einen Impfstoff gibt und wir müssen uns zwangsläufig damit arrangieren. Das bedeutet auch, dass wir trotz häufigem Händewaschen, Abstand halten, Maske tragen, Lüften und Kontaktreduzierungen ein Restrisiko tragen müssen. Und dieses Restrisiko muss in einem ausgewogenen Verhältnis dazu stehen, welche Einschränkungen und deren Folgewirkungen eine Gesellschaft, eine Wirtschaft und die Zukunftschancen unserer Kinder in Form ihrer Bildung zu tragen haben. Alltagsmasken haben darauf eine Wirkung. Sie ist aber nicht hinreichend. Denn sie ersetzen kein häufiges Lüften, um potenzielle Viruslasten in der Umgebungsluft zu mindern, sie ersetzen das Händewaschen nicht und schon gar nicht ersetzen sie den Abstand, den man einhalten sollte. Sie helfen ein Stück weit dabei, sich der Gefahr bewusst zu werden und schützen in bedingtem Maß, indem große virushaltige Tropfen in der Maske hängen bleiben. Aerosole aber nicht. Genau deswegen ersetzen sie auch nichts vom Rest.
Als Politiker bin ich dafür zuständig ein ganzheitliches Bild im Blick zu haben, das unsere Gesellschaft adäquat und in ihrer Gesamtheit abbildet. Zu diesem Bild gehört zwangsläufig und in hohem Maße dazu, dass Maßnahmen die die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, unseres Gesundheitssystems und die Folgen für die kommenden Jahre und Generationen maßgeblich bestimmen werden, mitbedacht und stets aufs Neue hinterfragt werden. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen sind rechtfertigungsbedürftig, nicht die Forderung, diese aufzuheben. Diese Rechtfertigungen werde ich auch künftig einfordern.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Hans-Ulrich Rülke