Pressemitteilung

Rülke und Goll: Der Rettungsdienst ist in einem unhaltbaren Zustand, es wird auf Kosten der Gesundheit der Bürger gespart

In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage der FDP-Landtagsfraktion zum Rettungswesen (Drucksache 15/8039) stellt die Landesregierung fest, dass ihr die Statistik zur Einhaltung der Hilfsfristen in den Jahren 2014 und 2015 nicht vorliegt. Die Ausrüstung des Rettungsdienstes mit modernen Hubschraubern, die Patienten intensiv versorgen können, werde immer wichtiger, so die Landesregierung. Die Einführung hänge aber von der Kostenübernahme der Krankenkassen und Unfallversicherungsträger ab. Zu Meldungen, wonach immer wieder Rettungswagen aufgrund von Personalmangel nicht besetzt werden können, verweist die Landesregierung auf eine dazu fehlende Statistik. Ihr seien nur vereinzelte Aufzeichnungen bekannt. Die Gewinnung von Nachwuchs sieht sie als Problem an und verweist dazu unter anderem auf eine Stellungnahme des Badischen Roten Kreuzes. Dazu und zur Beantwortung von zwei weiteren parlamentarischen Anfragen durch die Landesregierung und zum Rettungsdienst (Drucksachen 15/5466, 15/6890) insgesamt sagten der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke und der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Prof. Dr. Ulrich Goll:

„Der Rettungsdienst in Baden-Württemberg befindet sich in einem unhaltbaren Zustand. Zu den Hilfsfristen liegen uns nur die Zahlen von 2013 vor. Demnach wurde die Hilfsfrist von zehn Minuten von den Rettungswagen lediglich in 66,7 Prozent der Fälle erreicht. Notärzte blieben gar nur in 60 Prozent der Fälle innerhalb dieser Frist. Aktuellere Daten hat die Landesregierung nicht und sie zeigt auch kein sonderliches Interesse an den Daten, wie die Beantwortung unserer Anfrage zeigt. Aus Fachkreisen hört man, dass die Daten für 2014 noch schlechter ausfallen sollen.“

„Dass es auch besser gehen kann“, so Rülke, „zeigt Hessen. Dort wurde im Jahr 2013 in 90 Prozent der Fälle die 10-minütige Hilfsfrist erreicht. In Hessen gaben die Krankenkassen und Unfallversicherer allerdings auch 47 Euro pro Einwohner für den Rettungsdienst aus. In Baden-Württemberg waren es nur 40 Euro pro Person. Und während in Hessen acht Rettungswagen auf 100.000 Einwohner kommen, in Niedersachsen gar zehn Rettungswagen, begnügt man sich im Flächenland Baden-Württemberg mit fünf Rettungswagen auf 100.000 Einwohner. Nur Hamburg verfügt über noch weniger Rettungswagen. Auch um die Gewinnung von Nachwuchs ist es schlecht bestellt. So können immer wieder Rettungswagen nicht besetzt werden, weil die Personaldecke infolge des mangelnden Nachwuchs zu gering ist. Statt aber mehr Notfallsanitäter auszubilden, haben die Krankenkassen als Kostenträger die Zahl der Auszubildenden gedeckelt. Dabei könnten durchaus mehr Notfallsanitäter ausgebildet werden, wie aus Fachkreisen zu hören ist. Die Anschaffung von modernen Hubschraubern wird auch von der Landesregierung als wichtig erachtet, scheitert aber am Willen der Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern, die Kosten zu übernehmen.“

„Bei der Verabschiedung der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes sind wir davon ausgegangen“, ergänzt Goll, „dass sich die Landesregierung nun endlich ernsthaft um Verbesserungen im Rettungsdienst kümmert und auch die noch offenen Baustellen angeht. Immerhin gab sie ihren ursprünglichen Plan, die Hilfsfristen einfach zu verlängern, auf. Diese Annahme war aber offensichtlich falsch, wie nun die Beantwortung unserer parlamentarischen Anfrage zeigt. Trotz der bekannten Defizite schiebt die Landesregierung alle Verantwortung auf die Leistungserbringer wie das DRK und die Kostenträger ab. Dabei ist die Landesregierung für die Gewährleistung eines bedarfsgerechten Rettungsdienstes zuständig. Die Beauftragung der Leistungsträger entbindet sie gerade nicht von ihren Pflichten wie zum Beispiel der Aufsicht. Die Regierung denkt aber anscheinend nicht daran, sich vor allem mit den Krankenkassen anzulegen. Es kann nicht sein, dass die Hilfsfristen kaum noch ernst genommen werden, Menschen in den Städten und auf dem Land sterben, weil der Rettungsdienst zu lange unterwegs ist. Es kann nicht sein, dass Schichten ausfallen, weil die Personaldecke zu dünn ist und Nachwuchs fehlt. Keiner will verantwortlich sein, aber die Kostenträger verweigern mehr Geld und mehr Ausbildungsplätze. Die Landesregierung gibt sich unbeteiligt und fordert noch nicht mal Statistiken getreu dem Motto: ‚Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß‘.“

Gemeinsam stellten Rülke und Goll abschließend fest: „Die nächste Landesregierung muss das Thema offensiv angehen. Wenn sich die Meldungen hinter vorgehaltener Hand bestätigen und die Hilfsfristen weiter nur so selten eingehalten werden, kommt man an einschneidenden Maßnahmen nicht vorbei. Wir scheuen uns nicht, den Krankenkassen auf die Füße zu treten oder beispielsweise die Mindestanzahl von Rettungswagen pro Einwohner vorzuschreiben. Andere Länder zeigen, dass eine Verbesserung der Situation möglich ist.“