Dezember 2021
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde,
es sind bewegte Zeiten, in denen es schön wäre, in Präsenzveranstaltungen die großen politischen Themen diskutieren zu können. Leider lässt Corona dies nicht zu. Deshalb melde ich mich nun etwas öfter nun auf diesem Wege bei Ihnen.
Impfung ist richtig und wünschenswert
Die Corona-Politik der werdenden Ampel in Berlin erhitzt die Gemüter. In der vergangenen Woche wurde die sogenannte „epidemische Notlage“ verabschiedet und durch ein neues Gesetz ersetzt, das darauf zielt, viele bislang Ungeimpfte zur Impfung zu motivieren und darauf Einschränkungen für Ungeimpfte durchzusetzen. 3G am Arbeitsplatz und im ÖPNV, 2G im öffentlichen Leben; 2Gplus an besonders neuralgischen Punkten. Ich halte das für den richtigen Weg. Die Impfung ist richtig und wünschenswert; sie zu erzwingen aber schwierig! Die künftige Opposition und leider auch weite Teile der Medien haben dieses neue Gesetz, das eben auch darauf setzt, Wirtschaft, Gesellschaft und vor allem das Bildungswesen verantwortbar am Laufen zu halten nun aber in einer Weise verunglimpft, als ob es darum ginge so zu tun, als sei Corona plötzlich nicht mehr gefährlich. Dazu muss man sagen, dass die derzeitige schwierige Lage von dieser „epidemischen Notlage“ nicht verhindert wurde.
Aktuelle Situation ist Erbe der Groko
Die momentanen Inzidenzen und Nichtgeimpften sind das Erbe der Groko nicht der Ampel! Im Übrigen kann man feststellen, dass nach wenigen Tagen die Impfbereitschaft deutlich gestiegen ist und die Inzidenzen nicht mehr ansteigen. Mit gutem Recht könnte man also sagen: Das Gesetz wirkt.
Nun schießen sich weite Teile der Medien, die politische Konkurrenz und Umfrageergebnisse auf das angebliche „Patentrezept“ einer „Allgemeinen Impfpflicht“ ein. Damit, so wird unterstellt, könne man alle Probleme mit einem Schlag lösen. Diese wäre – aufgrund eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit des Individuums – verfassungsrechtlich hochumstritten. Ich wäre dennoch bereit, darüber zu reden, wenn ich glauben würde, dass dieses Instrument funktioniert. Angedacht ist dem Vernehmen nach kein Impfzwang, sondern die Androhung einer Ordnungsstrafe. Nun höre ich von Pflegeunternehmen, dass rund ein Drittel ihrer Belegschaft noch ungeimpft sei. Im Falle einer berufsbezogenen Impfpflicht dürfte sich, nach deren Schätzung, die Hälfte davon impfen lassen, die andere Hälfte würde es vorziehen, den Pflegeberuf zu verlassen. Man muss also abwägen zwischen dem wünschenswerten zusätzlichen Schutz vulnerabler Gruppen und einer möglichen Verschärfung des Pflegenotstands durch weiteren Personalmangel. Geradezu naiv ist es aber, im Falle der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht davon auszugehen, dass solche Menschen zwar ihren Arbeitsplatz aufgeben, um einer Impfung zu entgehen, sich aber durch die Androhung einer Ordnungsstrafe doch dazu bewegen lassen würden. Ich befürchte eine enorme Kontrollbürokratie, eine Flut von Klagen gegen die Ordnungsstrafbescheide und eine Radikalisierung der Querdenkerszene.
Landesregierung wäre mit Impfpflicht überfordert
Im Übrigen macht sich momentan niemand hinreichende Gedanken um die technische Umsetzung. Herr Söder fabuliert ja schon von einer Impfpflicht ab 12. Das hieße, eingedenk der wohl im Falle von weiteren Mutationen notwendigen halbjährlichen Auffrischungsimpfungen, für rund 75 Millionen Menschen in Deutschland zwei Impfungen pro Jahr. In der Summe also 150 Millionen; dauerhaft knapp 500.000 am Tag. Wer soll das schultern? Die Hausärzte plus ein paar mobile Impfteams? Die Stiftung Patientenschutz rechnet mit der Notwendigkeit von mindestens 400 dauerhaften Impfzentren für diesen Fall und stellt die Frage, wo das medizinische Fachpersonal dafür herkommen soll. Und in der Tat; in Baden-Württemberg erleben wir – durch das Greifen des Gesetzes der Ampel – eine deutlich erhöhte Impfnachfrage. Gleichzeitig hat Kretschmann aber nicht das nötige Angebot vorgehalten, sondern die Impfzentren geschlossen. Nun bilden sich lange Schlangen, wo Impfungen angeboten werden und die niedergelassenen Ärzte sind massiv überlastet und bieten Termine zum Teil im Frühjahr an. Daraus zieht Kretschmann nun die Schlussfolgerung, man brauche zusätzlich noch eine Impfpflicht, damit noch mehr Menschen keinen Impftermin bekommen. Hinzu will er noch Ausgangssperren, damit die Impfwilligen dann nicht mehr aus dem Haus können, um zur Impfung zu gelangen.
Impfpflicht ist nicht das Patentrezept
Ich kann ja nachvollziehen, dass man sich nach einem Patentrezept sehnt, um die Pandemie hinter sich zu lassen. Und eine Impfpflicht wird vielleicht auch manchen Zögernden zur Impfung motivieren. Deshalb ist auch in der FDP das Thema umstritten. Bis in die Parteispitze hinein gibt es auch Befürworter. Warum also nicht im Bundestag die Abstimmung freigeben, so dass jeder Abgeordnete seinem Gewissen folgen kann und nicht irgendeinem Fraktionszwang. Ein fraglos richtiges Verfahren.
Mich aber überzeugen weder mediale Trommelwirbel, noch emotional gepuschte Umfrageergebnisse. Bald werden möglicherweise jene, die bei einem Anruf der Forschungsgruppe Wahlen für eine Impfpflicht plädieren und ihr Unverständnis äußern, dass die Politik nicht schon längst darauf kam, sich über die Pferdefüße dieser allgemeinen Impfpflicht alterieren und die Frage stellen, wieso die doofen Politiker diese nicht vorhergesehen hätten.
Die allgemeine Impfpflicht ist eine in einer Notlage wie der derzeitigen diskutable Maßnahme. Aber sie ist nicht das Allheilmittel, zu dem es momentan von vielen gemacht wird. Für mich selbst komme ich in der Summe abwägend nach wie vor zu dem Ergebnis, davon abzuraten.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Hans-Ulrich Rülke