Januar 2022
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde, liebe Sympathisanten und Interessenten der regionalen FDP,
nach wie vor hält uns leider Corona von einem geordneten gesellschaftlichen und auch politischen Leben ab. Gerne hätten wir das politische Jahr wie gewohnt mit unserem traditionellen Neujahrsempfang eingeläutet. Die Pandemie lässt dies nicht zu, und wir hoffen darauf, nach der aktuellen Omikron-Welle endlich wieder normale Zeiten anstreben zu können.
Mit Sicherheit ist die Impfung ein wesentlicher Baustein zur Überwindung der Pandemie. Deshalb werbe ich bei jeder Gelegenheit für das Impfen und Boostern und habe auch selbst im Dezember beim „Impfmarathon“ in Pforzheim eine sechsstündige Schicht als Impfhelfer absolviert.
Aktuell wird auf allen politischen Ebenen eine Impfpflicht diskutiert. Leute wie Winfried Kretschmann und Karl Lauterbach verkaufen diese als Allheilmittel zur Überwindung der Pandemie. Das Parlament müsse diese Impfpflicht nur beschließen, dann würden sich alle impfen lassen und die Pandemie habe ein Ende. So einfach machen sich die Herren im Stile von Pippi Langstrumpf die Welt. Zweifel sind angebracht. Was Kretschmann anlangt, so weist er eines ums andere Mal seine totale Unfähigkeit und Überforderung in der Coronakrise nach. Im Dezember hat er es geschafft, an einem Wochenende sage und schreibe vier widersprüchliche Versionen zur Frage, wer denn ein Restaurant betreten darf in Baden-Württemberg zu verkünden. Und die Gerichte kassieren eine seiner Verordnungen nach der anderen: Quadratmeterregelung im Einzelhandel, Ausgangssperrenregelung und nun seinen Stufenplan. Und Lauterbach? In einer Nacht- und Nebelaktion verkürzt er den Genesenenstatus von sechs auf drei Monate, was aber wiederum für Bundestagsabgeordnete nicht gelten soll. So schürt man Volkszorn! Mit Pandemiebekämpfung hat dies nichts zu tun, denn alle namhaften Virologen sind sich einig, dass eine überstandene Infektion in etwa die selbe Schutzfunktion hat wie zwei Impfungen. Natürlich ist es auch für Genesene noch besser, sich Impfen und Boostern zu lassen; aber es ist doch kompletter Unsinn, jemandem der im vergangenen Herbst geboostert wurde totale Sicherheit zu versprechen, aber den aktuell Infizierten bereits im April wieder als Gefahr zu begreifen. Wohlweislich fordern diese Herren täglich medienwirksam die Impfpflicht, hüten sich aber davor, eine konkrete Ausgestaltung vorzuschlagen. Lauterbach gar mit der absurden Begründung, er müsse sich als zuständiger Minister neutral verhalten. Dann darf sich also Christian Lindner auch nicht mehr zum Haushalt äußern!
Diese Strategie ist durchsichtig. Sechzig Prozent der Bevölkerung befürworten in Umfragen die Impfpflicht, weil man ihnen eingeredet hat, diese sei ein Allheilmittel. Diesen will man gefallen. Aber wissend, dass die Umsetzung unter den gegenwärtigen Gegebenheiten gar nicht gelingen kann macht man sich bei der organisatorischen Konkretisierung dann vom Acker, um am Ende Anderen die Schuld am Desaster in die Schuhe schieben zu können. Man sei selber bei der Erarbeitung des Gesetzes ja gar nicht dabei gewesen. Verantwortungslosigkeit im Quadrat!
Faktum ist, dass bislang niemand einen Weg aufgezeigt hat, eine solche Impfpflicht rechtssicher und praktikabel umzusetzen. Da es kein Impfregister gibt weiß niemand, wer überhaupt geimpft ist und wer nicht. In diesem Zustand wäre die Durchsetzung einer Impfpflicht ein absoluter Blindflug. Da hört man Ideen wie: Die Polizei soll bei Verkehrskontrollen gleich noch den Impfstatus kontrollieren. Das wird die Impfgegner aber erschrecken. Ich beispielsweise kam vor zwanzig Jahren in die letzte Verkehrskontrolle. Das Letzte was sich dieser Staat in Zeiten von anschwellenden Querdenker-Spaziergängen leisten sollte ist ein Papiertiger einer nicht durchsetzbaren Impfpflicht, die Wasser auf die Mühlen aller wäre, die diesen Staat ohnehin als Versager darstellen wollen. Wer also eine Impfpflicht will, der muss zunächst ein Impfregister schaffen, um überhaupt zu wissen, welche Ungeimpften zur Impfung gezwungen werden müssen. Da sagen dann manche, dies daure zu lang. Die Impfpflicht müsse gleich kommen, damit sie schnell hilft. Nun man kann auch versuchen, den Atlantik zu durchschwimmen, weil man schnell nach Amerika muss und nicht die Zeit verlieren will, bis wieder ein Flug geht. Ein Impfregister wäre für eine liberale Partei aus Gründen des Datenschutzes schwierig. Doch auch ich will nicht ausschließen, dass eine Impfpflicht als letztes Mittel zur Bezwingung einer pandemischen Geißel erwogen werden könnte. Doch dann muss ein solcher Grundrechtseingriff funktionieren und für alle auch gleich ausgestaltet sein. Und nicht nach dem Zufallsprinzip einer Verkehrskontrolle!
Wenn Lauterbach dann auf einmal wieder nicht neutral ist erklärt er natürlich nicht, wie die Umsetzung funktionieren soll, wohl aber was er sich erwartet. Eine Begrenzung auf ein bis zwei Jahre und wer drei Mal geimpft ist, der hat erfüllt. Wenn also der 92jährige lungenkranke Höchstrisikopatient (im Januar 2021 erstgeimpft) im August 2021 geboostert wurde, dann wird ihm signalisiert: Bei Dir passt alles, Du hast ja drei Impfungen! Obgleich inzwischen Delta und Omikron waren, möglicherweise bald auch noch weitere Varianten, auf die der damalige Impfstoff noch gar nicht ausgerichtet war. Wenn aber der 20jährige Leistungssportler, der sich im Januar 2022 erstimpfen lässt (Zweitimpfung im Februar oder März), im Sommer noch nicht geboostert ist, so wird der vom Staat verfolgt. Diese absurde Politik macht doch klar, dass es den Lauterbachs und Kretschmanns mit ihren Vorschlägen nicht um die Pandemie geht, sondern um politische Winkelzüge.
Deshalb hat meine Fraktion einstimmig beschlossen, sich derzeit gegen eine solche Impfpflicht auszusprechen. Wir werben für das Impfen und auch für andere sinnvolle Maßnahmen wie beispielsweise eine FFP-2-Masken Pflicht im ÖPNV. Mit uns kann man auch über die Einrichtung eines Impfregisters reden, um dann die Möglichkeit zu haben, eine funktionierende (!) Impfpflicht situationsbedingt zu erwägen. Was die Politik in diesem Lande aber nicht tun sollte bzw. nicht tun darf, das ist diesen Staat seinen Gegnern der Lächerlichkeit preiszugeben: „Seht her, wir leben in einem Land, in dem der Staat Gesetze macht, die hinten und vorne nicht funktionieren!“ Jetzt schon erhalten Querdenker, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker ständig wachsenden Zulauf aus der Mitte der Bevölkerung. Weil immer mehr Menschen über die Politik der Kretschmanns und Lauterbachs nur noch den Kopf schütteln.
Wir sollten uns davor hüten, all jene Menschen in die rechte Ecke zu stellen. Die Initiatoren sind dubios; deshalb empfehle ich niemandem dort hinzugehen. Aber immer mehr Menschen, die guten Willens sind, nehmen dort teil. Aus Frustration über eine widersprüchliche und stümperhafte Politik. Diese Menschen darf man nicht abschreiben und nicht kriminalisieren. Wir müssen sie in die Mitte der Gesellschaft zurück holen. Das gelingt aber nicht mit Maßnahmen wie einer Impfpflicht, die erst nicht funktioniert und am Ende vielleicht noch in Karlsruhe kassiert wird.
In der Region habe ich mit meiner Unterschrift eine Initiative unterstützt, die sich den Zusammenhalt der Gesellschaft zum Ziele gesetzt hat. Dieses Ziel ist sinnvoll und gut. Da kann man sich auch gegen manches wenden, was einige Spaziergänger an den Montagen so vertreten. Man kann auch fordern, dass die Spaziergänger die Maskenpflicht beachten. Für nächsten Montag ist nun aber eine Gegendemonstration geplant. Die Einladung dazu habe ich vehement abgelehnt. Eine gleichzeitige Gegendemonstration birgt die Gefahr einer Konfrontation. Jedenfalls muss die Polizei dies befürchten. Das könnte dazu befürchten, dass sich das Eskalationsgeschehen wiederholt, das wir vom 23. Februar früherer Jahre her leider kennen. Am Ende ist Pforzheim dann wieder eine Festung mit tausenden Polizisten.
Diese Pandemie wird nicht auf der Strasse beendet; aber eine konzeptionslose Politik darf sich nicht wundern, wenn immer mehr Menschen ihre politische Willensbildung auf die Strasse verlagern.
Mit den besten Grüßen und Wünschen und hoffentlich bald erfreulicheren Themen
Ihr Hans-Ulrich Rülke