SPD und FDP: Pflegegipfel statt Arbeitsgruppen und Kurzzeitförderprogramme
Andreas Stoch: Land muss endlich wieder mehr Verantwortung in der Pflege übernehmen
Dr. Hans-Ulrich Rülke: Situation in der Pflege dramatisch
Die Fraktionen von SPD und FDP sehen dringenden Handlungsbedarf im Bereich Pflege und fordern vom Land, ein „Akutprogramm für Pflege“ aufzusetzen statt dauernder Einzelprogramme.
Andreas Stoch, Vorsitzender der SPD-Fraktion, sagt dazu:
„Mehr Personal, mehr Geld, mehr Ausbildung, mehr Verantwortung und mehr Digitales, das wurde 2019 beim Auftakt der Konzertierten Aktion Pflege im Bund vereinbart. Beteiligt waren neben den zuständigen Bundesministerien insbesondere auch die Länder, die Bundesagentur für Arbeit, die Pflegeberufsverbände, die Pflege- und Krankenkassen, die Tarifparteien und die Verbände der Einrichtungsträger. Nun liegen die ersten Berichte zur Umsetzung der Vereinbarungen vor und Baden-Württemberg sieht da nicht besonders gut aus. Aktuell gibt es im Land weniger Ausbildungseintritte als in 2019. Und das wenige Geld, das Minister Lucha überhaupt selbst für die Pflege ausgibt, landet in ‚Impulsen‘ statt in einer regelhaften Förderung der notwendigen Pflegeinfrastruktur. Die gesetzliche Zuständigkeit des Landes für die Pflegeplanung hat sich Minister Lucha mit seiner grün-schwarzen Koalition im Landtag gleich ganz streichen lassen. Besonders gut ist der zuständige Gesundheitsminister Lucha allerdings darin, Forderungen zur Pflege an den Bund und insbesondere an den Bundesgesundheitsminister zu richten. Dabei sind die Länder nach dem Sozialgesetzbuch für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur verantwortlich. So kann das nicht weitergehen. Das Land muss endlich wieder mehr Verantwortung in der Pflege übernehmen.“
Für die FDP/DVP-Fraktion sagt der Vorsitzende Dr. Hans-Ulrich Rülke:
„Ministerpräsident Kretschmann hat in den elf Jahren seiner Regierungszeit bisher kein besonderes Augenmerk auf die Bewältigung des demografischen Wandels gelegt. Jetzt ist die Situation in der Pflege dramatisch. Die Vernachlässigung der Pflege durch die Landesregierung ist symptomatisch für ihren Regierungsstil: Über einen Flickenteppich zeitlich befristeter Förderprogramme kommt die Landespolitik nicht hinaus. Bei der Flexibilisierung der Fachkraftquote etwa, so wie in unserem jüngst veröffentlichten Positionspapier zur Altenpflege gefordert, sei die Landesregierung nicht mehr zuständig. Da komme ich zum Schluss, dass es kein Verständnis für die aktuelle Situation gibt. Auf eine Strategie und Planungssicherheit auf Basis vernünftiger Vorausberechnungen wartet man vergeblich. Das ist ein Armutszeugnis und wird dem Einsatz der Pflege-Beschäftigten nicht gerecht.“
Florian Wahl, gesundheitspolitischer Sprecher SPD-Fraktion:
„Überall in Baden-Württemberg fehlen qualifizierte Beschäftigte in der Pflege. Deshalb ist es dringend notwendig, die Ausbildung attraktiver zu machen und die Zahl der Pflegekräfte damit zu erhöhen. Der Bund hat die Pflegefachkraftausbildung neu geregelt. Aber in der Umsetzung im Land hapert es noch deutlich. Zum Beispiel bestehen riesige Probleme in der Pflegefachkraftausbildung vor allem in den Praxisteilen bei der Kinderkrankenpflege. Für die Ausbildung unterhalb der Fachkraft sind direkt die Länder zuständig. Nachdem Minister Lucha die Neuordnung jahrelang verschoben hat, haben wir einen Gesetzentwurf Einführung zur Ausbildung zur Pflegeassistenzkraft in Baden-Württemberg in den Landtag eingebracht. Wir wollen und können auf die qualifizierte Arbeit der Menschen mit Hauptschulabschluss in der Pflege nicht verzichten, regeln dabei eine bessere sowie längere Ausbildung und räumen ihnen bei einem erfolgreichen Abschluss eigene Kompetenzen in der Pflege ein. Mit der heutigen landesrechtlich geregelten Ausbildung dürfen sie nur unter der Aufsicht einer Fachkraft arbeiten. Viele Umsetzungen der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission ‚Pflege in Baden-Württemberg zukunftsorientiert und generationengerecht gestalten‘ stehen noch aus und ich befürchte, dass sie unter Minister Lucha ohne externen Impuls auch nicht mehr kommen. Minister Lucha hat sich in der Umsetzung das herausgesucht, was ihm passt. Die anderen teilweise ebenso guten Empfehlungen lässt er seit Jahren links liegen. Wir brauchen einen neuen Anlauf für die Pflege in Baden-Württemberg.“
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion, Jochen Haußmann, abschließend:
„Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst enorm, das Personal fehlt, der Mix verschiedener fachlicher Qualifikationen ändert sich, die Kosten steigen – das ist die heutige Situation in der Pflege im Land. Wir fordern eine sofortige Entlastungsoffensive für die Pflege und haben dazu ein „10-Punkte-Akut-Programm“ vorgelegt. Leider kommt Minister Lucha über Enttäuschungsbekundungen über unsere Vorschläge nicht hinaus. Was wir brauchen ist ein Pflegegipfel mit allen Akteuren, von dem aus eine konzertierte Aktion zur kurzfristigen Entlastung der Träger und Beschäftigten ausgeht: Entbürokratisierung, Flexibilisierung, Übergangsregeln, Bedarfsplanungen, Verfahrensbeschleunigungen, Digitalisierung, Ermessensspielräume – das Land kann an vielen Stellen schnell Abhilfe schaffen und tut es nicht! Es muss jetzt ans Eingemachte gehen. Wir sind bereit, daran mitzuwirken, wirkliche Entlastungsmaßnahmen für die Pflege auf den Weg zu bringen. Unsere Hand ist ausgestreckt. Jetzt muss Minister Lucha liefern!“